Eifel-Wasser
von der Seite und von fast von unten geführten Schlägen. Du lieber Himmel, es wird immer später. Ein alter Mann ist müde.«
»Gib zu, dass da noch mehr kommt«, forderte ich.
»Du kennst mich ziemlich gut«, strahlte Rodenstock. »Es ist mit Sicherheit davon auszugehen, dass Breidenbach mit Steinen erschlagen worden ist. Und zwar mit Steinen, deren Mehl eindeutig vulkanischen Ursprungs ist. Sie haben Steinmehl in den Wunden gefunden. Kischkewitz' Leute haben nach passenden Steinen gesucht und sie fanden welche, genauer: zwei. Die Steine haben doppelte Faustgröße und es waren Hautreste auf ihnen. Damit scheint bewiesen, dass er erschlagen wurde. Und zwar außerhalb des Zeltes.«
»Von einer oder von zwei oder drei Personen?«
»Die Frage kann man noch nicht beantworten. Aber etwas anderes weiß man noch: Auf Breidenbachs Gesicht war ein Flecken Öl. Nicht viel, aber immerhin. Es handelt sich um eine gängige Ölsorte, die bei Maschinen aller Art Verwendung findet. Von Breidenbachs Mountainbike stammt dieses Öl allerdings nicht. Die Ermittler nehmen an, dass es der Täter an den Händen hatte. Und: Die Spurensucher haben einen Knopf gefunden, von einer Armani-Jeans. Der ist Breidenbach eindeutig nicht zuzuorden, den hat also vielleicht der Täter verloren.«
»Was ist mit dem Finger?«
»Das ist interessant. Der Finger muss einem Mann gehören, der etwa fünfundzwanzig Jahre alt ist. Frag mich nicht, wie sie das festgestellt haben. Wahrscheinlich aufgrund des Alters der Gewebestruktur.«
»Da ist doch noch was, Rodenstock ...«
Mit glänzenden Augen hockte er vor mir. »Ja, da ist noch etwas. Breidenbach hatte vor seinem Tod einen Samenerguss – er muss Besuch von einer Frau gehabt haben!«
»Ha! Das geheime Leben, von dem ich redete.«
Er lächelte.
»Die Kollegen von der Mordkommission werden doch inzwischen sicher auch wissen, was mit dem Zelt passiert ist?«
»Das war die einfachste Übung«, bestätigte er. »Das Tuch ist mit zwei Zangen zerrissen worden. Mit einer ganz normalen, bereits angerosteten Kneifzange und einer ebenfalls angerosteten Flachzange. Da es nicht wahrscheinlich scheint, dass Breidenbach sein eigenes Zelt zerfetzte, bevor er getötet wurde, muss er Besucher gehabt haben. Und wie es aussieht, eine ganze Menge.«
»Oder nur einen, der das alles erledigte.«
Er überlegte und nickte dann. »Oder nur einen.«
Nach einer Weile fragte ich: »Woran denkst du?«
»Stell dir vor, ich hätte nicht den Stachel des Zweifels in diese Affäre gesenkt. Stell dir vor, es wäre dabei geblieben, Breidenbach als Opfer eines bedauerlichen Unfalls in der Natur zu beerdigen. Dann wäre ein Tatort übersehen worden, auf dem sich gewissermaßen die Ereignisse überstürzten. Ich möchte also erneut die uralte Frage aufwerfen, wie viele Tatorte pro Jahr wohl lautlos beerdigt werden, weil man sie gar nicht als Tatorte begreift.«
»Oder begreifen will«, setzte ich hinzu.
Er sah ins Leere. »Oder begreifen will«, wiederholte er.
»Wie will Kischkewitz das alles auf die Reihe kriegen?«
»Das ist ein entscheidender Punkt.« Rodenstock seufzte, richtete sich aber gleichzeitig etwas auf. »Kischkewitz hat mich zunächst einmal rein privat gebeten, ihm zu helfen. Offiziell oder inoffiziell, das ist ihm scheißegal. Er hat folgende Strategie vorgeschlagen: Von dem Mord wird offiziell nichts verlautbart, die Sprachregelung, dass Breidenbach Opfer eines Steinschlags geworden ist, bleibt bestehen. Das gibt Kischkewitz und uns etwas Zeit ... Fragt sich allerdings wie viel. Denn Leute vom Südwestrundfunk haben herausgefunden, dass Breidenbach in ein schlimmes Politikum verstrickt war. Die Geschichte hat sich in einer Eifel-Gemeinde abgespielt, in der ein Fenster- und Türenhersteller zu Hause ist. Der verwendet wohl Vinyl für seine Produktion, einen Krebs erregenden Stoff. Wenn ich das richtig verstanden habe, macht Vinyl Kunststoffe biegsam und bruchsicher. Nun hat sich nachweisen lassen, dass im Umfeld des Fensterbauers zehnmal mehr Leukämieerkrankungen bei Kindern auftraten als normal.«
»Welche Rolle spielte Breidenbach dabei?«, fragte ich erregt — »Er untersuchte das Trinkwasser in der Region und in den Quellgebieten. Wahrscheinlich entdeckte er in dem Wasser Spuren von Vinyl und ...«
»... und wollte es geheim halten«, vervollständigte ich.
»Falsch. Er wollte die Sache an die Öffentlichkeit bringen.«
»Das wäre ein glatter Selbstmord geworden«, meinte ich.
»Na ja«,
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