Eifel-Wasser
oder dass ein Politiker dämlich genug ist, sittliche Maßstäbe zu predigen und gleichzeitig ein Hurenhaus in Trier zu besuchen, weil er einen so harten Alltag hat. Die Regel besagt: Schweig still, maß dir kein Urteil an! Hohes christliches Prinzip für das Kirchenvolk.«
»Breidenbach war kein Pfarrer. Und selbst wenn er uneheliche Kinder zeugte, so sehe ich keinen Zusammenhang zwischen diesen Kindern und seinem Tod.« Er spielte den Advokaten des Teufels meisterhaft, er konnte mir jede Überlegung zunichte machen.
Von unseren Frauen hörten wir: »What a wonderful world!«
»Wenn du Recht hättest, Baumeister, dann ist es schwer, den Finger zu erklären, der niemandem gehört. Denn dann hätte Breidenbach unter Umständen jemanden getroffen, den er selbst tötete. Und das scheint mir absurd, das passt überhaupt nicht zu dem Menschen Breidenbach, wie wir ihn kennen.«
»Was, zum Teufel, wissen wir denn von ihm? Wir kennen nur die Glanzfolie, die Unterseite haben wir noch keine Sekunde gesehen.«
»Dann muss er jemanden getötet und die Leiche beiseite geschafft haben«, fuhr Rodenstock fort. »Er kehrte zurück und wurde von einer Felslawine erschlagen. Aber erst, nachdem irgendjemand ihn gefunden hat, das Zelt abbaute, an anderer Stelle aufstellte, zerriss und so weiter und so fort ... Wenn ich akzeptiere, dass Breidenbach jemanden treffen wollte, dann gibt es den Naturfreak, der bei schlechtem Wetter in einem Steinbruch zelten wollte, nicht mehr. Dann sehe ich eine nächtliche Versammlung von Unbekannten bei strömendem Regen in einem Steinbruch am Rande der Welt. Und das fordert eine Theorie, von der es mir undenkbar erscheint, sie mit Leben füllen zu können.«
»Was ist, wenn wir euer Haus umbauen und den Fall sein lassen?« Ich hatte plötzlich keine Lust mehr, das unbekannte Leben mir unbekannter Eifler zu durchforschen.
Rodenstock grinste wie ein Gassenjunge. »Ein bisschen Haus muss sein. Ich kann Emma nicht ganz allein lassen. Aber niemand wird mir verbieten können, darüber nachzusinnen, wie Breidenbach ums Leben kam, wem der Finger gehört, wer in der Nacht im Steinbruch war. Und: Warum er im Steinbruch war. Außerdem möchte ich Kischkewitz helfen, der mit einer total überlasteten Mordkommission nach Luft schnappt. Weißt du, dass es inzwischen zwei Uhr nachts ist?«
»Don't worry, be happy!«, sangen die Frauen. Und mein Telefon schellte und Rodenstock begann zu lachen.
Es war Kischkewitz, der Mordermittler. Er fragte mit einer von seinen grässlichen Stumpen angerauten Stimme: »Sag mal, ist Rodenstock da?«
Ich reichte den Hörer an Rodenstock weiter, der einfach nur sagte: »Leg los!« Konzentriert hörte er zu, das Gespräch dauerte sehr lange. Schließlich sagte er: »Du kannst dich auf mich verlassen!«, und drückte die Aus-Taste.
Rodenstock sah mich an und rückte sich zurecht. »Sie sind sich sicher, dass nicht die Lawine Breidenbach getötet hat. Es gibt zwar noch einen Unsicherheitsfaktor, doch der liegt bei nur einem Prozent. Dann hat sich die Kommission mit der Frage befasst, um wie viel Uhr unter Berücksichtigung sämtlicher klimatischer Faktoren Breidenbach gestorben ist. Die Antwort lautet: exakt zwei Uhr in der Nacht vom vergangenen Donnerstag auf Freitag. Gehen wir davon aus, dass Breidenbach den Steinbruch etwa gegen 17 Uhr am Donnerstag erreichte, dann hat er dort neun Stunden lebend verbracht – eine ungeheure Zeitspanne. Praktisch heißt das, dass ganze Kompanien von unbekannten Besuchern den Steinbruch aufsuchen konnten. Bei der Bestimmung des Todeszeitpunktes sind die Pathologen von der Freiburger Schule ausgegangen, sie haben also den Zustand bestimmter Muskelgruppen überprüft. Das bedeutet, die Festlegung auf zwei Uhr ist exakt bis auf eine Abweichung von fünf Minuten plus oder minus, aber nicht mehr.«
»Warum sind sie sich so sicher, dass nicht die Lawine schuld an Breidenbachs Tod war?«
»Zwischen seinem Körper und den herabstürzenden Steinbrocken fand sich kein Zelttuch. Auch in den Schädelwunden keine Mikrospuren von Zelttuch. Das heißt, dass sich Breidenbach zum Zeitpunkt seines Todes außerhalb des Zeltes aufhielt. Das war uns ja sowieso schon klar. Doch zudem weisen die Verletzungen darauf hin, dass Breidenbach mit einem Stein erschlagen worden ist. Keine einzige seiner Verletzungen scheint von herabstürzenden Steinen zu stammen. Beweismittel: seine Kleidung. Die ist nicht von oben herabstürzenden Steinbrocken getroffen worden, sondern
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