Eifel-Wasser
Mann, Franz-Josef, eingegriffen, so ginge das nicht! Daraufhin hat ihn dieser Abi verprügelt. Mein Mann sah wirklich schlimm aus.«
»Dieser Erbe«, fragte Rodenstock, »wie heißt der?«
»Rainer Still«, antwortete Heiner. »Die Leute sagen, der ist nur an Geld interessiert, sonst an gar nichts. Er tritt selbst kaum in der Öffentlichkeit auf. Dafür hat er seine Leute. Unter anderem den Abi.«
»Hat Ihr Mann Anzeige erstattet?«, fragte ich.
»Nein. Er war der Ansicht, das hätte keinen Zweck, weil niemand dabei gewesen war. Abi hat ihm aufgelauert. Irgendwo bei Hillesheim.«
»Wer ist denn nun dieser Abi genau?«, wollte ich weiter wissen.
»Einfach ein Schlägertyp. Dieser Erbe, dieser Rainer Still, hält sich mehrere Bodyguards. Kein Mensch weiß, warum. Und er hat einen ›Managing Director‹. Dr. Manfred Seidler, der sei wirklich gefährlich, erzählen die Leute.«
»Wann ist denn das passiert? Die ungenehmigten Bohrungen, das Verprügeln?«
»Im März«, antwortete Maria Breidenbach.
Rodenstock mischte sich ein: »Glauben Sie, dass dahinter ein Mordmotiv zu finden ist?«
»Ich weiß es nicht ...«, sagte Maria Breidenbach zögernd. »Eher nicht. Aber vielleicht ... es ist ja möglich, dass diesem Abi was aus dem Ruder gelaufen ist ... Mein Gott, das ist ja schrecklich, das will ich mir gar nicht vorstellen.«
»Auszuschließen ist es aber nicht«, nickte Rodenstock. »Und jetzt zu Ihnen, junger Mann, ich muss mich wiederholen: Können Sie sich irgendeinen Menschen vorstellen, der so einen Rochus auf Ihren Freund Holger hatte, dass er ihn mit einem Auto zu Tode quetschte?«
»Nein, nicht Holger. Nicht so, dass einer hingeht und den ... mit einem Auto. Das ist unvorstellbar. Warum auch? Holger war... die meisten Menschen mochten Holger.« Unvermittelt begann er zu schluchzen. Es war ein stilles, schrecklich verkrampftes Weinen, da er sich bemühte, die Kontrolle nicht zu verlieren.
Seine Mutter umschlang ihn mit beiden Armen und sagte leise: »Ach, mein Junge! Mein armer Junge.«
»Es wäre sehr hilfreich, wenn Sie kurz erzählen könnten, wie Ihre Freundschaft zu Holger Schwed war«, bat ich nach einer Weile.
Heiner nickte, bekam von seiner Mutter ein Papiertaschentuch gereicht und schnauzte sich laut. »Das fing auf dem Gymnasium in Daun an. In der Fünften. Wir waren seitdem immer zusammen. Wenn es eben ging, haben wir auch die Ferien zusammen verbracht. Meistens fuhr er mit mir und meinen Eltern mit in den Urlaub. Er war bei mir hier zu Hause und ich bei ihm. Aber öfter waren wir hier.« Er grinste für Sekunden wie ein Lausbub. »Wir hatten die ersten Freundinnen, manchmal dieselben gleichzeitig. Nach dem Abi ging's zum Studium. Aber selbst da sahen wir uns noch an fast jedem Wochenende. Und im Frühsommer haben wir beide mit meinem Vater zusammen noch mal Urlaub auf Kreta gemacht.«
»Hat Ihr Vater dort von Schwierigkeiten im Beruf erzählt?«, fragte Rodenstock.
»Nein. Jedenfalls nicht mir. Kann sein, dass er mit Holger über so was geredet hat. Aber eigentlich glaube ich das nicht.«
»Ich denke, wir haben Sie genug belästigt.« Rodenstock sprach mehr zu sich selbst. »Herzlichen Dank, dass Sie mit uns geredet haben. Wir finden die Haustür allein.«
Im Wagen seufzte er: »Die wissen nichts. Und die Tatsache, dass ein Bodyguard einfach zugeschlagen hat, zeigt mir zunächst nur, dass er ein schlechter Bodyguard ist, sonst nichts.«
»Was ist, wenn mehr dahinter steckt?«
Er dachte nach. »Glaube ich nicht. Eine neue Wasserfirma in der Eifel ist ja nun nicht gerade eine Sensation. Und eine zu tiefe Bohrung – was soll das? Vielleicht haben wir es doch nur mit einem Steinschlag und einem tragischen Verkehrsunfall zu tun. Wäre auch besser für den Seelenfrieden hierzulande.«
»Und der Finger? Und der Mister Unbekannt oben an der Steilwand? Und das zerrissene Zelttuch? Mein Gott, Rodenstock, wo steckt dein Misstrauen? Du hast den ganzen Scheiß schließlich losgetreten.«
»Ich werde alt und friedlich«, grinste er.
»Es stört dich nicht, dass jemand fünf Meter zurücksetzen muss, um jemanden mit seinem Auto zu zerquetschen?«
»Na gut, es stört mich, aber es kann durchaus normale Erklärungen dafür geben. Für alles kann es normale Erklärungen geben.«
»Mit dir rede ich nicht mehr. Du bist der widerlichste Rentner, den ich zurzeit kenne.«
»Es hätte ein so schöner Abend werden können.«
»Ekel!«
»Widerlicher, vorlauter Jugendlicher!«
Unter derart munteren
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