Eifel-Wasser
Pissoir im Kölner Hauptbahnhof.«
»Da gehörst du nicht hin, meine Liebe«, belehrte mein Lehrmeister seine Frau.
Vor mir im dunklen Flur tauchte eine lichte Gestalt auf: Vera, dürftig bekleidet und entsetzt.
Ich legte schnell einen Zeigefinger auf den Mund.
Flüsternd fragte sie: »Muss ich Heftpflaster besorgen?«
Ich nahm sie an der Schulter, schob sie ins Wohnzimmer und schloss die Tür hinter uns. »Das ist eine innerfamiliäre Auseinandersetzung, das geht uns nichts an.«
»Na, ich weiß nicht. Wenn ich dabei aus dem Bett falle, ist das aber mindestens Körperverletzung. Was hat Emma denn eigentlich?«
»Sie ist sauer, wie du deutlich hörst.«
»Na ja, aber sie kann doch nichts dagegen haben, wenn Rodenstock in einem Fall herumgräbt, hat sie doch selbst jahrelang gemacht.«
»Leg dir erst mal die Decke um die Schultern, du machst mich ganz fertig. Aber es ist doch so, dass Emma das Haus aufbauen will und sich nun allein gelassen fühlt. Weil Rodenstock sich um ein paar Morde kümmert.«
»Wieso ein paar? Ich denke, es sind nur zwei.«
»Davon wollte ich dir eigentlich erzählen. Wir haben mindestens zweieinhalb.«
Während ich berichtete, fühlte ich Erschöpfung in mir hochkriechen. Plötzlich schien mir der ganze Fall lästig.
»Und was wollt ihr jetzt machen?«, kam die unvermeidliche Frage.
»Schlafen«, sagte ich. »Nur noch schlafen.«
Als ich in mein Bett huschte, waren Emma und Rodenstock noch immer in heftige, wütende Diskussion verstrickt.
Ich wachte auf, weil Vera ins Zimmer kam und Cisco mitbrachte, der sofort auf das Bett hüpfte und in heller Verzückung mein Gesicht ableckte.
»Sie haben sich geeinigt«, erklärte sie.
»Wer? Wie?«
»Emma und Rodenstock. Es ist zwölf Uhr, high noon.«
»Ist das ein Grund aufzustehen?«
»Nicht unbedingt, aber wir wollen in den Westerwald, nach Hachenburg, auf Franz Lamms Spuren wandeln. Rodenstock behauptet, der Westerwald sei schön.«
»Das behaupten die im Hunsrück auch.«
»Ich weiß, genauso wie die Oberpfälzer, die Allgäuer und die Schleswig-Holsteiner. Jetzt gib dir einen Tritt, Baumeister.«
»Wie haben sie sich denn geeinigt?«
»Wir erledigen erst diesen Fall, dann kommt das Haus. Nur der Architekt fängt schon mal an. Er hat sowieso gesagt, dass alle Wände faul sind, die müssen erst mal raus. Das nennt man entkernen.«
Ich wollte noch mal nach dem rot karierten Bauernleinen fragen, aber dieser Witz hatte sich wahrscheinlich totgelaufen. »Entkernen könnt ihr ohne mich.«
»Spotte du nur.« Vera zog die Bettdecke weg.
»Na schön. Ich weiche der Gewalt. Gibt es einen Kaffee?«
»Wie wäre es, wenn du dir den selbst kochst?«
»Frauen am frühen Morgen sind widerlich.«
Im Badezimmer fand ich bei Betrachtung meines Gesichtes, dass ich wie ein Rentner kurz vor einem Herzkasper aussah und dass mich das ungeheuer attraktiv machte.
Die Tür ging auf und Emmas schöner Arm reckte sich samt einem Handy herein. »Es ist irgendwer, der behauptet, ihr seid alte Freunde.«
»Da bin ich aber gespannt«, murmelte ich. »Ja? Baumeister hier.«
»Ich bin's, Conni Balthaus. Falls du dich freundlich erinnerst.«
Ich hatte keine Erinnerung, schon gar keine freundliche. »Hilf mir!«
»Afghanistan, Beirut«, plapperte der Mann fröhlich. »Und jetzt die himmlische Eifel.«
»Balthaus? Etwa der Balthaus? Ich dachte, du bist in einem Seniorenheim.«
»Meine Frau wartet drauf«, sagte er seufzend. »Nein. Ich mache hier jetzt den Producer, mein Lieber. Ich koordiniere unsere Außenleute. Und ich will die Geschichte von dem Lebensmittelchemiker haben, der von einem Fenster- und Türenhersteller umgebracht wurde, weil der das Trinkwasser versaute und Kleinkinder in den Tod schickte.«
»Langsam, langsam«, ging ich dazwischen. »Es ist noch nichts bewiesen. Was hast du denn gehört?«
»Nicht gehört. Gelesen!«, trompetete Conny, »dpa berichtet, dass dieser Chemiker unter einer Felslawine begraben wurde, die absichtlich losgetreten worden sei. Und dass es noch einen zweiten Mordfall gibt. Ein Junge, der mitsamt seinem Mountainbike zu Tode gequetscht wurde. Das ist ja furchtbar. An was für einem Arsch der Welt wohnst du da?«
»Sekunde, ich muss eben den Rasierschaum aus den Ohren wischen.«
Balthaus, Balthaus. Er war Fotograf gewesen, ein immer fröhlicher Fotograf. Ich erinnerte mich, dass er auf dem Bauch über die Greenline in Beirut gerobbt war, diese verrückte, nicht existierende Linie zwischen christlichen und
Weitere Kostenlose Bücher