Eifelbaron
Tischmitte.
Büscheler sah ihn verständnislos an. »Was schwafelst du von Beethoven?«
Bianca Willms stellte Welscher unaufgefordert ein Glas Wasser hin. »Moment, ich zeig es dir.« Sie tippte im Stehen etwas in ihr Notebook und drehte dann den Bildschirm so, dass Büscheler ihn sehen konnte. »YouTube. Da findest du alles.«
Im Filmchen spielte ein Musiker das klassische Stück des Bonner Meisterkomponisten auf dem Klavier.
»Können wir mal wieder zum Thema zurückkommen?«, forderte Fischbach. »Jemand muss dann morgen früh …«
»Das übernehme ich«, warf Welscher ein und hüstelte. Bonn. Einen ganzen Vormittag würde er die Gegend hier meiden können.
»Willst du denen die Fliesen vollkotzen?« Büscheler lachte gackernd.
»Ha, ha«, giftete Welscher. »Ich werde mich schon im Griff haben. Schließlich weiß ich, was mich erwartet. Und eine Obduktion hat mir noch nie etwas ausgemacht.«
Das stimmte tatsächlich. Die funktionelle Schlichtheit eines Sezierraums und die nüchterne, sachliche Betrachtung eines toten Körpers schufen für ihn eine Distanz, die das Tragische und Entsetzliche hinter jedem Todesfall verdrängte.
»Na, da bin ich ja mal gespannt. Dann machst also du das«, beschloss Fischbach. »Jetzt interessiert mich aber noch, was ihr über die Jubiläumsfeier herausbekommen habt.«
»Können wir nicht vorher mal eine Raucherpause einlegen?«, maulte Büscheler, der bereits nervös seine Zigarettenschachtel auf dem Tisch hin und her schob.
Fischbach schüttelte den Kopf. »Wir machen jetzt durch, verteilen anschließend die Aufgaben für morgen, und dann geht es ab ins Bett. Zumindest für euch beide.« Er sah Andrea Lindenlaub und Büscheler an, die mit zufallenden Augenlidern kämpften.
»Also gut.« Büscheler steckte die Schachtel in die Brusttasche seines Hemdes. »Ich fasse mich kurz, wenn ihr nichts dagegen habt.« Er blätterte seinen Notizblock durch, bis er die richtige Seite gefunden hatte. »Firmenjubiläum, gestern, anlässlich des fünfundzwanzigjährigen Bestehens. Alle haben sich amüsiert, waren guter Laune, ja geradezu begeistert. Baron hatte mächtig aufgefahren, Musik, Getränke nach Wunsch, Essen vom Feinsten, alles, was man sich vorstellen kann. Dann, um kurz nach Mitternacht, ließ er die Bombe platzen: Betrieb pleite, Belegschaft entlassen. Im nächsten Moment verschwand er auf Nimmerwiedersehen – bis heute Morgen. Wie ihr euch vorstellen könnt, brach ein Tumult im Saal aus. Die Sekretärin hat davon angeblich kaum etwas mitbekommen, sie war nach Barons Abgang ›wie vom Donner gerührt‹, wie sie es ausdrückte. Aber zumindest die Gästeliste konnten wir bei ihr abstauben.« Er nahm ein paar gefaltete Blätter aus seinem Notizbuch und reichte sie Bianca Willms. »Ludwig, das war der Typ aus der Werbeabteilung, hat mitbekommen, dass die Sängerin hinter Baron herrannte, als er von der Bühne ging. Ob sie allerdings noch mit ihm sprechen konnte, wusste er nicht. Der Buchhalter hat gesagt, der Wirt des Restaurants habe wüste Drohungen gegen Baron ausgestoßen.«
Büscheler machte eine Pause, sah in seine Notizen. »Die Worte: ›Den mache ich kalt‹ seien gefallen, sagte er.«
»Wo war die Feier?«, wollte Fischbach wissen.
»In der Feuerhalle der ›Alten Tuchfabrik‹ in Euskirchen.«
Andrea Lindenlaub schreckte aus einem Kurzschlaf hoch und sah erschrocken um sich. Ihre Ohren färbten sich rot.
»Die hat Karlos Nettersheim letztes Jahr übernommen«, sagte Fischbach.
Büscheler und Andrea Lindenlaub nickten.
»Wer ist das?«, erkundigte sich Welscher. Er vermutete, dass dieser Nettersheim Dreck am Stecken hatte.
Fischbach bestätigte denn auch sofort seine Vermutung. »Karlo hat in den Neunzigern mal groß in Drogen gemacht«, sagte er. »Dabei hat er sich ausgesprochen geschickt angestellt, so verschlagen, dass es uns nicht gelungen ist, ihm irgendetwas nachzuweisen. Es kam hin und wieder zu Anklagen, aber keine führte zur Verurteilung. Wichtige Zeugen bekamen kalte Füße, verschwanden oder erzählten im Gerichtssaal plötzlich eine ganz andere Fassung. Das alles stank bis zum Himmel. Dabei waren wir uns sicher, dass Karlo die A 1 als Drogenpipeline zwischen den Beneluxländern und dem Ruhrgebiet, allen voran Düsseldorf, nutzte.«
»Also ein skrupelloser Typ, der weiß, wie man unangenehme Zeitgenossen beseitigt«, stellte Welscher fest und nippte an seinem Wasser. Es schmeckte schal, doch er warf Bianca Willms ein dankbares Lächeln
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