Eifelheiler (German Edition)
sie machte.
Er stolperte zurück und wäre die Staumauer runtergefallen, wenn das
Geländer nicht gewesen wäre. »Ich kann nicht«, heulte er auf.
Sie genoss seine Panik. Sie hatte ihn in der Hand, das wusste er
ganz genau. Wenn er nicht tat, was sie von ihm erwartete, würde er in den Knast
wandern. Sie trat erneut näher und fixierte ihn wie eine Spinne ihre Beute,
während er wild in ihrem klebrigen Netz zappelte. Nur eine Handbreit trennte
ihre Gesichter voneinander. »Pass auf, ich mache dir einen Vorschlag, damit du nicht
so leiden musst. Ich bin ja kein Unmensch.«
Hoffnung leuchtete in seinen Augen auf.
»Heute Nacht. Ultimativ. Dann hast du es hinter dir und brauchst dir
keine Gedanken mehr darüber machen.«
Die Hoffnung verschwand, machte Platz für blankes Entsetzen und
schlug schließlich in verzweifelte Wut um. Blitzschnell packte er sie am Hals
und würgte sie mit aller Kraft. »Du Hexe«, spie er aus. Sein warmer Speichel
benetzte ihr Gesicht. Er schob sie vor sich her, quer über die Mauerkrone, und
drückte ihren Oberkörper über das Geländer.
Sie schlug panisch um sich. Damit hatte sie nicht gerechnet.
»Mörder«, würgte sie hervor. »Du verdammter Mörder.«
Unbeeindruckt drückte er sie weiter nach hinten, Zentimeter um
Zentimeter. Ihre Füße verloren die Bodenhaftung, und das Geländer drückte
schmerzhaft gegen ihren Rücken. Sie strampelte wild, doch er hielt ihren Hals
so fest umfasst wie ein Schraubstock ein Stück Eisen.
»Hexen können nicht schwimmen, habe ich mal gelesen. War im
Mittelalter eine Prüfung. Man warf die angeklagte Frau einfach …«
In ihren Ohren rauschte es, sie sah und hörte ihn nicht mehr. Ihre
Lunge brannte. Gierig schnappte sie nach Luft, doch es kam nichts durch.
Plötzlich ließ er los, und ihre Kehle war wieder frei. Sie fiel auf
die Knie, würgte keuchend nach Luft. Weiße Sterne tanzten vor ihren Augen und
sprangen um sie herum. Es dauerte Sekunden, bis sie erkannte, dass es die
Perlen ihrer Kette waren.
»Das gibt es doch nicht«, hörte sie eine aufgebrachte Stimme rufen.
Turnschuhe tauchten in ihrem Blickfeld auf, und starke Arme rissen sie auf die
Beine. »Alles in Ordnung? Soll ich Hilfe holen?«
Ein Jogger stand vor ihr und sah sie besorgt an. »Dahinten läuft er.
Ich kann ihn beschreiben«, sagte er und wies auf die Stelle, wo der Weg in den
Wald hineinführte.
Sie machte sich los, schüttelte nur den Kopf, aus Angst, keine
Stimme mehr zu besitzen, und rannte in entgegengesetzter Richtung davon.
***
Prustend lehnte sich Fischbach im Sessel zurück und öffnete den
Knopf an seinem Hosenbund. »Phantastisch«, lobte er. »Eine Schwarze Taat hab
ich ewig nicht mehr gegessen. Wird nicht mehr so häufig aufgetischt. Leider.«
Drei Stücke hatte er verdrückt. Zwar meldete sich sein schlechtes Gewissen,
doch wann bekam man diese Eifeler Kostbarkeit heutzutage schon noch serviert?
»Meine Großmutter väterlicherseits stammt aus Birresborn«, erklärte
Larissa de Witt. »Die Taat erinnert mich immer an die Ferien, die ich bei ihr
auf dem Hof verbracht habe. Eine wundervolle Zeit voller Abenteuer. Zu
Weihnachten schenkte sie mir immer eine getrocknete Pflaume, die ich an den
Weihnachtsbaum hängen durfte. In ihrer Kindheit war das wohl eine Eifeler
Tradition. Meine Oma zwinkerte mir zu und sagte: ›Für dich. Die Oma in klein.‹«
Sie schmunzelte.
»Ah, klar.« Welscher begann zu lachen. »Alte Pflaume. Deine Oma
hatte Humor.« Er stellte seinen leeren Teller vor sich auf den Wohnzimmertisch.
»Woher wusstest du eigentlich von der Taat?«, fragte Fischbach ihn.
»Von welcher Tat? Was ist passiert?« Welscher tat ganz aufgeregt.
»Taat. Mit Doppel-a. Kuchen, du Blötschkopp.«
»Als ich heute Morgen auf dich gewartet habe, hat Larissa mir
erzählt, dass sie eine gebacken hat.«
Fischbach bemerkte, dass Welscher seinem Blick auswich. Rote Flecken
zeichneten sich auf den Wangen seines Kollegen ab. Haben die was miteinander?,
fragte er sich, verwarf den Gedanken aber gleich wieder. Schließlich war
Welscher so schwul, wie die Nacht schwarz war. »Abenteuer ist ein gutes
Stichwort.« Er versuchte, sich aufrecht hinzusetzen. Sofort spürte er einen
unangenehmen Druck in der Magengegend. »Ich denke, so langsam sollten wir mal
wieder nach Feuersänger und seiner Truppe schauen.«
Welscher stand auf und trat ans Fenster. »Wenn man vom Teufel
spricht. Er kommt gerade aus dem Haus.«
»Dann los.« Fischbach schob sich auf die
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