Eifelheiler (German Edition)
werden keinen besseren Experten
bezüglich der Geschichte Kronenburgs finden. Aber wenn Sie nichts dagegen
haben, gehen wir rüber in meine Wohnung, um uns zu unterhalten. Ist nicht weit,
direkt gegenüber der Kirche. Diesen Gestank muss ich nicht länger haben.« Er
drückte sich an Fischbach vorbei, stellte sich kurz Welscher vor und schritt
eilig zur Tür hinaus.
Die beiden hatten Mühe, dem schlaksigen Mann in der Manchesterbotz
zu folgen.
***
Pfarrer Beinlichs Büro musste von einem Eifelsturm heimgesucht
worden sein. Zumindest hatte Fischbach den Eindruck, als er sich setzte und
staunend das Chaos um sich herum betrachtete. Bücherregale bogen sich unter der
Last von Hunderten von Folianten. Auf dem Schreibtisch türmten sich Unterlagen,
Kaffeetassen standen obenauf und dienten vermutlich zum Beschweren. Das kleine
Notebook daneben wirkte fast wie ein Spielzeug.
Pfarrer Beinlich kramte hinter der Tür einen Klappstuhl hervor und
stellte ihn für Welscher auf. Fischbach bot er seinen Bürostuhl an. Er selbst
lehnte sich gegen den Schreibtisch. Dabei fiel einer der Papierstapel um und
landete krachend auf dem Dielenboden. Die Kaffeetasse, ihrer beschwerenden
Funktion enthoben, zersprang. Es kümmerte ihn nicht. Ungerührt erzählte er:
»Interessant, interessant, meine Herren, was Sie da entdeckt haben. Ich habe
schon lange vermutet, dass es einen solchen Geheimgang gibt. Jetzt steht
natürlich die Frage im Raum, warum ich von dem Vorhandensein des Ganges immer
überzeugt gewesen war.«
»Das wäre tatsächlich meine Frage gewesen«, sagte Fischbach.
Pfarrer Beinlich sah sich suchend um und zog dann ein abgegriffenes
Buch unter einem Stapel anderer Bücher hervor. Er blätterte darin, bis er die
richtige Stelle gefunden hatte. »Sie müssen wissen, Kronenburg ist hochbetagt.
Der Ortskern mit meiner wunderschönen Kirche stammt aus dem 15. Jahrhundert,
stellen Sie sich das mal vor.« Er drehte das Buch so, dass Fischbach und
Welscher die Zeichnung darin sehen konnten, und deutete auf eine Häuserzeile.
»Damals sah es hier in etwa so aus.« Er ließ den Finger wandern. »Oben die
Burgruine, die ist sogar noch älter. Da geht die Geschichte bis ins 13. Jahrhundert
zurück. Betrachtet man dazu die Eifeler Historie in ihrer Gesamtheit und schaut
auf Kronenburg im Speziellen, stellt man rasch fest, dass sich hier die
Herrschenden die Klinke in die Hand gaben. Und das Ganze lief nicht immer
freundlich ab.«
»Sie wollen auf Kriege hinaus?«, fragte Fischbach.
Pfarrer Beinlich nickte. »Kriege brachten früher ständig wechselnde
Besatzer mit sich. Doch nicht alle wurden willkommen geheißen. Die Bürger im
Mittelalter mussten also Vorkehrungen treffen, um eine Belagerung zu
überstehen. Für mich lag es nahe, dass findige Einwohner hier wie vielerorts in
der Eifel auf die Idee gekommen waren, einen Notausgang zu schaffen. So konnten
sie bei Bedarf fliehen, um zum Beispiel Hilfe und Unterstützung einzufordern
oder sich mit Proviant zu versorgen.«
»Davon habe ich bereits gehört«, sagte Welscher. »Gibt es im Vatikan
nicht auch so etwas?«
»Richtig, der Passetto di Borgo. Ein fast achthundert Meter langer
Geheimgang vom Vatikan zur Engelsburg.« Pfarrer Beinlich sah sich suchend um.
»Ah, dort.« Er beugte sich vor, zog vorsichtig einen Bildband aus dem
Bücherregal und blätterte eine Seite auf. »Hier«, sagte er und drehte das Buch
so, dass Fischbach und Welscher das Foto sehen konnten.
»Eine historische Stadtmauer«, stellte Fischbach fest. Was hatte das
mit ihrem Geheimgang zu tun?
»Ja, richtig, die Stadtmauer des Vatikans, in der sich der Fluchtweg
befindet.«
»Ach so?«
Pfarrer Beinlich klappte das Buch zu und legte es auf einen
Papierstapel, der bedrohlich wackelte. »Tarnung war das A und O. Im
Kloster Steinfeld zum Beispiel gibt es mehrere Geheimtüren und auch einen
Geheimgang. Fragen Sie danach, wenn Sie das nächste Mal dort zu Besuch sind.«
»Sie reden von unserem Kloster Steinfeld,
dem in Kall?«, fragte Fischbach ungläubig. Er erinnerte sich an das
Heino-Konzert, das er dort mit Sigrid besucht hatte. Wie lange war es jetzt
her? Drei Jahre oder bereits vier? Egal. Er war sehr darauf bedacht gewesen,
von niemandem erkannt zu werden. Mit Heino wollte er nicht unbedingt in
Verbindung gebracht werden. Geheimtüren oder -gänge waren ihm nicht
aufgefallen. Allerdings war das ja auch der Zweck des Ganzen.
»Ja, genau.«
»Aber ist der Gang, den wir gefunden haben, für eine Flucht
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