Eifelheiler (German Edition)
zwinkerte ihm zu. »Kleiner Scherz.«
Sie stiegen aus und schellten. Wenig später schwang die Tür auf.
»Sie wünschen?«
Ihnen gegenüber stand ein kleiner, schmächtiger Mann, bekleidet mit
einem weißen Hemd, einer schwarzen Weste und ebenfalls schwarzen Hose mit
messerscharfer Bundfalte. Er blickte aus trüben Augen durch sie hindurch.
Stephan sah erstaunt zu Charlotte. Einen solch kühlen Empfang hatte
er nicht erwartet.
»Ich bin’s, Robert. Frau Germanus erwartet uns«, sagte sie
freundlich. Der Butler lächelte übergangslos, wie eingeschaltet, doch seine
Gesichtszüge entspannten sich.
»Ah, Frau von Berg.« Er verneigte sich. »Bitte folgen Sie mir.« Er
drehte auf dem Absatz, hielt plötzlich einen weißen Stab in der Hand und ging
ins Haus.
Stephan betrat die große Eingangshalle. Ein Spiegel, der mehr Fläche
als sein Wohnzimmer hatte, hing rechts an der Wand. Die etwa vier Meter
entfernte Stuckdecke strahlte weiß. Ein edler Läufer teilte den Marmorboden und
verschluckte das Klacken von Charlottes Absätzen.
»Ein blinder Butler?«, raunte Stephan.
»Fast blind, ja, aber nicht taub«, entgegnete der Mann, während er
zielsicher eine Tür ansteuerte.
Charlotte grinste. »Robert ist der gute Geist des Hauses. Er
arbeitet hier schon seit … wie viele Jahre sind es gleich, Robert?«
»Siebenunddreißig, Madam.« Er öffnete die Tür und hielt sie ihnen
auf. Ein Flur schloss sich an. Links an der Wand hingen in Öl gemalte Porträts.
»Und solange Frau Germanus lebt, werde ich ihr treu zu Diensten sein«, fügte er
hinzu und ging wieder voraus.
Rechts konnte Stephan durch deckenhohe Fenster in den Garten
schauen. Trotz der andauernden Hitze des Sommers zeigte sich der Rasen frisch
und unverbrannt. Blumen leuchteten in allen Farben und erinnerten Stephan sträflich
an seinen heruntergekommenen Hinterhof.
Robert führte sie auf eine schattige Terrasse. »Bitte nehmen Sie
Platz. Frau Germanus wird in Kürze erscheinen.« Er verneigte sich und
verschwand im Inneren des Hauses.
Erscheinen, aha, dachte Stephan, wie Copperfield wahrscheinlich. Er
ließ sich in einen der Korbsessel fallen. »Kommt mir vor wie bei Rosamunde
Pilcher. Fehlt nur noch ein Pfau.«
Charlotte kicherte und setzte sich ebenfalls. »Ich weiß, nicht dein
Stil.«
Stephan winkte ab. »Ach, ich kenne mich bei der Hautevolee doch
bestens aus.« Er seufzte theatralisch. »Nur schade, dass zu diesem Stil kein
Bier passt.«
»Ein Bier, der Herr, sofort.« Unbemerkt war Robert wieder
aufgetaucht. Er schob einen Rollstuhl, in dem eine alte Frau saß, die sich
Stephan überhaupt nicht an der Seite von Friedrich Germanus, so wie Charlotte
ihn gerade geschildert hatte, vorstellen konnte. Ihre Haut war hellgrau und
durchscheinend wie Butterbrotpapier. Das weiße, lichte Haar trug sie offen. Ein
dezenter brauner Lidstrich betonte die gezupften Brauen in ihrem runzligen
Gesicht, und eine modische graue Kombination hüllte ihren hageren Körper ein.
Elfriede Germanus begrüßte Charlotte entgegen Stephans Erwartung mit
einer überraschend kraftvollen Stimme. »Liebste Charlotte. Es freut mich, dich
zu sehen.« Sie beugte sich vor und ließ sich von ihr umarmen. »Und das ist der
Mann, von dem du immerzu schwärmst?« Sie schenkte Stephan einen koketten
Augenaufschlag. »Ein wahrlich gut aussehender Mann, muss ich sagen.«
Von Trauer um ihren Ehemann keine Spur dachte Stephan, lächelte
freundlich und reichte ihr die Hand. »Frau Germanus, nehme ich an. Nun, gut
aussehend würde ich nicht sagen.« Er klopfte auf seinen Bauch. »Gemütlich passt
besser.«
Die beiden Frauen lachten. Elfriede Germanus machte eine einladende
Handbewegung. »Kommt, Kinder, setzt euch wieder. Robert, Frau von Berg und ich
nehmen einen Champagner!«
Stephan zuckte zusammen, als hinter ihm ein beflissenes »Sehr wohl«
erklang und gleichzeitig ein Glas vor ihm abgestellt wurde.
Häuptling schleichender Butler, dachte er und bedankte sich für sein
Bier.
In den nächsten fünf Minuten tauschten Frau Germanus und Charlotte
Neuigkeiten aus. Kurz streiften sie dabei auch die Beerdigung letzte Woche,
eine würdevolle Feier ohne Zwischenfälle.
Als Robert den Champagner brachte, räusperte sich Stephan.
»Sollen wir loslegen?«, fragte er.
Elfriede Germanus nippte an ihrem Glas. »Oh, selbstverständlich,
verzeihen Sie.« Doch bevor sie seiner Bitte nachkam, rief sie: »Robert.
Kanapees für die Gäste!«
Diesmal war es der Butler, der zusammenzuckte. »Sehr
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