Eifelteufel - Kriminalroman
den Fiesta nach rechts. Wenige hundert Meter weiter parkte er den Wagen vor dem Haus seiner Eltern und stieg aus.
Seine Mutter Hannelore empfing ihn an der Haustür. Tiefe Falten hatten sich über die Jahrzehnte in ihr Gesicht eingegraben. Das graue Haar trug sie kurz, es wirkte stumpf und vernachlässigt. Ihre dunklen Augenringe kontrastierten mit der ungesunden bleichen Hautfarbe.
»Er schläft«, sagte sie zur BegrüÃung und führte ihn in die Küche. Wie jedes Mal fühlte Welscher sich augenblicklich in seine Kindheit zurückversetzt. Bis auf die Tapeten hatte sich nichts verändert: dieselben lose zusammengewürfelten Holzschränke, ein weiÃer frei stehender E-Herd, in der Mitte ein massiver Tisch mit Wachsdecke darauf und drum herum acht Stühle. Vor den beiden Fenstern hingen sogar noch die Ãbergardinen mit dem Gemüsemotiv, die Karotten ausgeblichen, der Stoff fadenscheinig vom vielen Waschen.
Er setzte sich.
Mit zittrigen Händen stellte sie Tassen auf den Tisch. »Ich habe uns einen Früchtetee gekocht. Den mochtest du ja immer so.« Sie schenkte ihm ein Lächeln.
»Ich habe heute leider nicht viel Zeit. Bin im Dienst.« Am liebsten wäre Welscher aufgesprungen und davongerannt. Obwohl er inzwischen regelmäÃig bei seinen Eltern vorbeischaute, überfiel ihn bei jedem Besuch ein unangenehmes Ziehen in der Magengrube. Zu schmerzlich waren die Erinnerungen, als dass er sie einfach abstreifen konnte. Hier im Haus war es zum Bruch mit seinem Vater gekommen. Der hatte weder Toleranz noch Verständnis für Welschers Homosexualität gezeigt, hatte geschrien und getobt, als Welscher damals mit der Wahrheit rausgekommen war. Nach einer schallenden Ohrfeige, die Welscher bis auf die Seele durchgeschlagen war, hatte er die Taschen gepackt und war davongestürmt. Seine Mutter hatte ihn jedoch am meisten enttäuscht. Er hatte damals auf ihre Unterstützung gehofft, doch sie verfolgte den Streit nur stumm und mit Tränen in den Augen. Als sie vor einigen Monaten den Kontakt zueinander wieder aufgenommen hatten, hatte Welscher ihre Entschuldigung angenommen, so richtig verziehen hatte er ihr jedoch noch nicht.
»Für einen Tee wird es reichen.« Sie umklammerte den Griff der Kanne und lächelte verkrampft. »Vielleicht wacht dein Vater in der Zwischenâ«
»Tu bitte nicht so, als sei alles in bester Ordnung«, unterbrach er sie. »Du kannst ihn nicht mehr hierbehalten. Es überfordert dich.« Er wollte nicht um den heiÃen Brei herumreden.
Schweigend goss sie ihm Tee ein. Ihr Kinn bebte.
»Wenn meine Kollegen ihn gestern Nacht nicht aufgegriffen hätten, wäre er vielleicht noch auf der A 1 spazieren gegangen. Gott sei Dank hatte er ein Namensschildchen im Hemdkragen.«
»Die habe ich eingenäht. Mit seinem Namen und unserer Adresse. Den Tipp hat mir der Doktor gegeben.« Sie lieà sich auf einen Stuhl fallen und gähnte. »Ich muss halt aufmerksamer sein. Leider habe ich zu tief und fest geschlafen.«
Der Tee duftete verlockend. Welscher ignorierte es. Seine Mutter wollte ihn besänftigen, er durchschaute das. Aber er wollte hart bleiben. »Er muss ins Heim. Du kannst nicht vierundzwanzig Stunden am Tag Wache halten.«
Klirrend stellte sie ihre Teeschale auf die Untertasse. »Kommt gar nicht in Frage.«
»Es muss sein.«
»Ich habe dich um Hilfe gebeten.«
»Und ich bin hier und präsentiere eine Lösung.«
»So nicht, oh nein. Du bist über deinen Schatten gesprungen. Dafür danke ich dir. Aber so habe ich mir das nicht vorgestellt.« Sie zog die FüÃe unter den Stuhl, verschränkte die Arme vor der Brust und schmollte.
Ãrgerlich trank Welscher seinen Tee in einem Zug aus und stand auf. Am liebsten hätte er alles hingeschmissen und sich so der Verantwortung entledigt. Leider wusste er nur zu gut, dass seine Mutter zwar eine ausgezeichnete Hausfrau abgab, aber mit jeglichem Schriftverkehr heillos überfordert war. Niemals würde sie allein die notwendigen Anträge ausfüllen können. Lieber würde sie alles so belassen, wie es war, und direkt in die Katastrophe schlittern. »Du willst dir einfach nicht helfen lassen.«
»Auch wenn er mir den gröÃten Schmerz meines Lebens zugefügt hat, indem er dich aus dem Haus getrieben hat: Ich liebe ihn. Er ist mein Mann. Bis dass der Tod uns scheidet, in guten und in
Weitere Kostenlose Bücher