Eigentlich bin ich eine Traumfrau
als auch
»Hamburg« auf. Sehr schön. Ich schaue mich um, ob auch ja keiner auf meinen Rechner schielt, bevor ich die E-Mail anklicke. Ãngstlich denke ich an den ekelhaften Typen im löchrigen Bundeswehrpulli aus der Computerabteilung, der uns alle kontrollieren kann. Ich wette, er selbst lädt sich frei von jeder Kontrolle einen Porno nach dem anderen runter. Dummerweise ist man auf ihn angewiesen, wenn auf dem Bildschirm völlig unverständliche Fehlermeldungen auftauchen, die von einem »Fatal Error« künden. Manchmal lässt er einen Stift fallen, damit man sich vor ihm bückt, um ihn aufzuheben. Vielleicht noch ein Grund, warum ich so selten Röcke trage. »Würden Sie bitte? Ich kann mich nicht so gut bewegen«, sagt er dann entschuldigend zu dem Hintern, der sich ihm entgegenreckt. Wenn man ihn giftig aus der erniedrigenden Stellung heraus ansieht, sagt er mit gespieltem Leid in der Stimme: »Morbus Bechterew.« Ich habe im Internet herausgefunden, dass es sich dabei um eine Versteifung der Gelenke handelt. Das wäre natürlich schrecklich. Nur merkwürdig, dass er, wenn er sich unbeobachtet glaubt, trotz seiner dreiundsechzig Jahre und der chronischen Steife noch ganz beweglich durchs Zimmer huscht. Egal. Wenn ich den Topjob erst mal habe, muss ich mich für niemanden mehr bücken. Die Anzeige öffnet sich auf meinem Bildschirm:
»Wir bieten Ihnen einen echten Traumjob!
Das Magazin Gentlemen schickt Sie auf eine Weltreise, um schöne Frauen zu treffen â¦
Wir suchen einen Reporter, der für eine neue, groÃe Serie über das Sex- und Erotikverhalten in aller Welt berichtet.
Voraussetzungen:
Sie flirten gern.
Sie reisen gern.
Sie sprechen mehrere Sprachen flieÃend.
Sie sind ungebunden und können deshalb kompe-
tent zu diesen Themen recherchieren.
Bitte senden Sie uns Ihre Bewerbung unter dem Stichwort âºGentleman-Weltreporterâ¹.«
Ungebunden vom Erotikverhalten berichten? Damit kann ja wohl nur gemeint sein, dass der Reporter mit den Frauen ins Bett gehen soll. Das ist ja die reinste Prostitution! Es werden sich sicher viele bewerben. Männer haben im Gegensatz zu Frauen wohl kein Problem damit, sich »dafür« besser bezahlen zu lassen als jede handelsübliche Bordsteinschwalbe. James-Bond-mäÃig das Land wechseln, Martinis schlürfen, Frauen flachlegen, Kohle abkassieren. Das nennt sich »Weltreporter«? Ist das nicht sittenwidrig? Ich werde es gleich mal Hrithik zur Ãberprüfung schicken.
Der ist schlieÃlich Anwalt.
Quatsch, dies ist ein so eindeutiger Verstoà gegen jeden Gleichheitsgrundsatz, dass ich die E-Mail auch gleich als Mahnmal an alle weiterleiten kann â an Toni, Tanja, Hrithik und Peter. Betreff: »Warum keine Luder-Weltreporterinnen?«
Dann schreibe ich noch schnell eine E-Mail an Rafaels Verlag mit der Bitte um seine Kontaktdaten. So, nun kann ich mich endlich wieder den Filmrezensionen widmen und hoffen, dass niemand merkt, dass ich bei zwei Filmen eingeschlafen bin. Der eine handelte von einer komplizierten, kirgisischen
Dreiecksgeschichte, in deren Verlauf recht wenig gesprochen wurde. Stattdessen wurden endlose, hügelige Landschaften zu elegischen Flötenklängen eingeblendet, später auch noch ein hügeliger, nackter Frauenkörper. An einer Stelle ging die Aufnahme zweier Berge sogar in die der üppigen Brüste über. Ich lobe einfach mal die poetische Bildersprache und die Fähigkeit des Regisseurs, sich aufs Wesentliche zu reduzieren. Leider habe ich keine Ahnung, wie das Drama eigentlich ausgegangen ist.
Nebenher bauchpinsele ich PaPi ein wenig (»Tolle Krawatte«), bis er mir meinen journalistischen Seitensprung zu verzeihen scheint. Was ist das überhaupt für ein Job, in dem man mehr Zeit damit verbringen muss, das Ego der Auftraggeber zu stärken, als deren Aufträge zu erledigen?
Ich hasse das, immer diese Heuchelei. Andererseits ist diese ganze anbiedernde Unterwürfigkeit eigentlich keine richtige Lüge, sondern nur eine gesellschaftlich etablierte Umgangsform. Dennoch ist es eine, die am Ende des Tages ein fades Gefühl der Falschheit hinterlässt. Da gibt es wohl nur zwei Möglichkeiten: Peters Wahrheitsbuch lesen, jedem ehrlich die Meinung sagen und den Job verlieren. Oder lieber gleich ein besserer Mensch werden, die Einstellung ändern und an allen Menschen nur noch das Gute wahrnehmen. Dann
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