Eigentlich bin ich eine Traumfrau

ausatmen, um ein selbstbewusstes, entspanntes Lächeln ins Gesicht zu zaubern. Der zweite Tipp, der mich wirklich überzeugt, ist, in Gedanken komplizierte Rechenaufgaben zu lösen, sobald das Objekt der Begierde auf einen aufmerksam geworden ist. Denn dann wirke man so konzentriert und versunken, dass den Mann nur noch eine Frage beschäftige: Was geht in dieser geheimnisvollen Frau vor? Das ist genau die Wirkung, die ich anstrebe. Andererseits bereiten mir Rechenaufgaben so viele Schwierigkeiten, dass zu befürchten ist, dass ich beim konzentrierten Nachdenken eher wie eine ostfriesische Kuh beim Kauen aussehe. Aber ich kann ja beide Kniffe kombinieren, also mit einem Buddha-Lächeln ein paar Potenzialgleichungen lösen. Wenn mir nur wieder einfallen würde, wie die überhaupt aussehen.
    Ich blättere weiter und finde Fotos von Dita von Teese. Die sieht richtig klasse aus. Wie eine unantastbare 50er-Jahre-Göttin. Vielleicht etwas zu viel Make-up für den Alltag an der Seite des naturverbundenen Schöngeists, der in Rafael sicher steckt. Aber Dita hat fraglos Stil und wahrt bei aller vorgeblichen Nacktheit noch eine zarte Zurückhaltung, die sehr elegant wirkt. Unter der Fotoleiste stellt sich der
Fotograf vor. Er sagt: »Als Fetischist mache ich Fetischfotografien.«
    Auf der nächsten Seite erklärt Dita, wie man einen Mann im Verlauf nur eines Abends zu einem willenlosen Hengst macht.
    Dita duzt mich, und ich notiere:
Trage Lippenstift im Beisein deines »Opfers« auf. Das ist besonders wirksam, wenn du es ganz langsam machst. (Lieber lassen, weil unprofessionell. Schließlich weiß Rafael ja gar nicht, dass es sich um ein Date handelt.)
Ziehe deine Strumpfhalter oder deine halterlosen Strümpfe zurecht. Natürlich dezent und beiläufig. Nur dann wirkt es sexy. (Habe keine Strumpfhalter, außerdem: siehe 1.)
Schlage beim Sitzen die Beine übereinander, und lass während des Gesprächs gedankenverloren deinen Stiletto von einem Bein baumeln. (Sind vier Zentimeter bequemer Blockabsatz schon »Stiletto«?)
Und denke immer daran, an seinen Lippen zu hängen und von jedem einzelnen Wort, das er äußert, fasziniert zu erscheinen. (Problemlos möglich, er wird garantiert ausschließlich interessante Sachen zu erzählen haben.)
Trage ausschließlich Stoffe, die sich an deinen Körper schmiegen, wie Seide, Samt oder Kaschmir. (Das grüne Kleid ist aus Viskose-Jersey, fast so gut wie Seide.)
Trage dezent deinen Erkennungsduft, und beuge dich immer wieder zu ihm vor, nahe genug, dass ihm dein Duft in die Nase weht. (Werde mir bei Douglas eine Probe von Chanel N° 5 schnorren.)

Iss sinnliche Früchte wie Kirschen, Erdbeeren oder Litschis und zerdrücke diese auf der Zunge. (Sieht man mit der Zunge am Gaumen nicht dämlich aus? Was, wenn mir roter Saft aus den Mundwinkeln läuft? Andererseits wirke ich damit vielleicht wie eine verruchte Vampir-Diva? Mal sehen. Danke, Dita.)
    Beim anschließenden Surfen im Internet überlege ich mir auch noch das Buch »Was würde Jackie tun?« zu kaufen. Die gilt ja immer noch als der Inbegriff des Stils. Andererseits wirkt sie auf den Fotos immer so verkniffen und prüde, kein bisschen sexy. Außerdem ist der Jackie O. der Johnnie F. K. doch immer fremdgegangen, oder? Da brauchte doch nur mal so etwas Blondgelocktes im wehenden weißen Kleid »Happy Birthday, Mister President« zu hauchen, und schon drehten seine Hormone durch. Wer so alles ein Land regieren darf!
    Ich werde mich lieber an Cate Blanchett orientieren, keine klassische Schönheit, auch kein Stupsnäschen, aber absolut charismatisch. Die schafft es, sogar noch mit Elfenohren eine aparte und geheimnisvolle Aura zu wahren. Dabei hat sie immer so ein leicht spöttisches Buddha-Lächeln auf den Lippen. Vielleicht löst sie auf dem roten Teppich auch kniffelige Rechenaufgaben? Egal, es kommt schließlich auf die Wirkung an. Problem gelöst. So wie Cate werde ich es machen. Jetzt muss ich nur noch an den anderen Punkten arbeiten: Mut, Selbstbewusstsein und vor allem Ehrlichkeit  – schließlich finde ich diese Eigenschaften auch bei anderen besonders anziehend. Beispielsweise bei Toni, die das irgendwie alles von Natur aus hinzubekommen scheint.
    Dann male ich mir eine Lebenslandkarte, die dabei helfen soll, die so bildlich erdachten und schriftlich festgehaltenen Ziele zu erreichen. Meine zeigt am