Eigentlich bin ich eine Traumfrau
hören!«
»Wieso nicht?«
»Na, der war doch Nazi.«
»Na ja, das ist vielleicht eine etwas vereinfachte Darstellung«, sagt Toni. »Und ich glaube sowieso, inzwischen darf man die Werke eines Künstlers mögen, auch wenn man seine politische Einstellung nicht teilt.«
Da bin ich mir nicht so sicher, fühle mich aber so geschwächt, dass mir kein gutes Gegenargument einfällt.
»Was ich dich eigentlich fragen wollte, möchtest du nicht heute Abend mit uns â¦Â«
Ich lege auf.
Ich werde mich morgen bei ihr entschuldigen, aber für heute reicht es.
Dann klingelt es auch noch an der Tür. Ich bin mir ganz sicher, dass Peter dort steht, um mich zu fragen, ob ich sie nicht alle vielleicht doch am Abend ins Weinstein begleiten wolle. Deswegen blaffe ich lieber gleich in die Gegensprechanlage: »Nein.«
Es ist aber Rafaels Stimme, die antwortet. »Lass mich rein.«
»Nein.«
»Bitte, ich muss dir etwas sagen.«
Ich überlege. Vielleicht ist ihm gar nicht klar, dass wir uns getrennt haben? SchlieÃlich habe ich das nie eindeutig gesagt. Aber was für eine Wahl hatte ich denn nach seinem Auftritt? Dennoch hat es niemand â nicht einmal Rafael â verdient, nicht zu wissen, woran er ist. Also drücke ich doch auf den Türöffner.
Dann steht er vor mir. Mit einem Strauà roter Rosen. So abgeschmackt das auch aussehen mag, überwältigt es mich doch. Hoffentlich sehe ich nicht zu verheult aus. Ich bin wie versteinert, und unternehme nichts, als er sich auf mein Sofa setzt und sich äuÃerst charmant mit Welpenblick bei mir entschuldigt. Er sei an dem Abend angetrunken gewesen, habe nicht gewusst, was er sagt. SchlieÃlich habe ihm Alexander den Kopf gewaschen.
»Alexander?« Wieso quietsche ich plötzlich so?
Ich stoÃe Rafaels Hand weg, die irgendwie den Weg unter meinen Rock gefunden hat. Eine Sekunde zuvor bin ich bereit gewesen, ihm zu verzeihen. Aber Alexanders Name hat mich aus dem Konzept gebracht. Ihm will ich auf keinen Fall ein neues Liebesglück verdanken, nicht nach unserem beinahe intimen Gespräch bei Rafael. Der Gedanke daran würde mich bei jedem Treffen mit ihm peinlich berühren. Während ich noch so grüble, presst Rafael seine Lippen auf meine. Die sind ganz warm und weich. Auch die Hand, die er schon wieder unter meinen Rock gleiten lässt, ist ganz warm. Und es fühlt sich so gut an, als
er in mein empfängliches Ohr haucht: »Bitte, sei mir nicht böse.«
Ich beschlieÃe groÃmütig, ihm zu verzeihen. Komplikationen und Missverständnisse gehören zu einer groÃen Liebe wie die Spritze zum Junkie. AuÃerdem war Rhett Butler auch nicht für seinen sensiblen Umgang mit Scarlett OâHara berühmt. Trotzdem waren sie füreinander geschaffen.
A m nächsten Vormittag weckt uns nach einer unanständig schlaflosen Nacht die Türklingel.
»Nicht öffnen«, seufzt Rafael.
Ich seufze ebenfalls. Es ist wunderbar, ihn zu betrachten  â wie er da so ganz ruhig in meinem Bett liegt. Ich weià plötzlich ganz genau, wie seine Söhne aussehen werden. Ich tobe meine frisch aufkeimenden Muttergefühle aus, indem ich ihm einen ganz zärtlich verspielten Kuss auf die Nasenspitze drücke. Da klingelt es wieder, diesmal etwas penetranter. Oh Gott, ich habe mal wieder vergessen, dass meine Mutter kommen wollte. Die braucht mich zwar nun eigentlich nicht mehr, aber ich kann sie schlecht vor der Tür stehen lassen.
»Psst. Schlaf weiter. Ich muss an die Tür. Es ist meine Mutter.«
An der Seite meiner Mutter tritt mit verlegenem Blick mein Vater ein. Sie hat ihn dazu überredet, uns zum Mittagessen in ein ganz teures Restaurant auszuführen. Sie glaubt wohl, noch einiges bei ihm gutzuhaben. In dem Moment stolpert Rafael in Boxershorts aus dem Schlafzimmer. Was
für ein durchtrainierter Körper. Was für eine peinliche Situation.
»Ãh, das ist Rafael«, sage ich, »Rafael, das sind meine Eltern.«
»Oh, warum hast du uns denn nicht erzählt, dass dein Freund hier ist? Dann wären wir doch gar nicht gekommen«, sagt meine Mutter und denkt gar nicht daran, verlegen die Augen von Rafaels Körper abzuwenden. Nur mein Vater sieht betreten zu Boden und sagt gar nichts. Wir sind offenbar die einzigen beiden Menschen im Raum, die noch Schamgefühl haben.
Rafael stapft einfach ganz unbefangen
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