Eigentlich bin ich eine Traumfrau
nicht loslassen können. Und selbst wenn er nur mein Knie oder meinen Ellbogen berührt, zuckt mein ganzer Körper. Es ist natürlich Wahnsinn, aber schöner Wahnsinn. Und ich sehe dabei weder unsere Kinder vor uns noch mich als die strahlende Herrin seines Hauses. Es gibt nur noch diesen Moment.
I ch habe mich schon wieder getäuscht. Am nächsten Morgen kündigt nur noch eine zerwühlte, verlassene Decke neben mir davon, dass hier ein Mann gelegen hat. Ich drücke das verwaiste Kissen an mein Gesicht, um sicherzugehen, dass Alexander wirklich bei mir gewesen ist. Ja, es duftet eindeutig nach seinem Aftershave und beschwört sofort wieder ein paar Bilder der letzten Nacht herauf, die mir die Schamesröte ins Gesicht treiben, obwohl niemand auÃer mir sie sehen kann.
Warum ist er nur gegangen? Ich sehe auf den Wecker. Oh Gott, ich habe völlig verschlafen. Mir bleibt nur noch Zeit für einen schnellen Kaffee. Ãber Alexanders schändliches
Verhalten werde ich auf dem Weg zur Arbeit nachdenken. AuÃerdem bin ich noch zu glücklich, um zu leiden. Aber besser keine Wimperntusche auflegen, falls ich später heulen würde. Beim Rausgehen entdecke ich einen Zettel auf dem Küchentisch: »Du hast so tief geschlafen, wollte dich nicht wecken. Würde dich heute Abend gerne zum Essen einladen. Ruf mich an. Kuss, Alexander.«
Ach, wunderbarer, wunderbarer Alexander! Besoffen vor Glück taumele ich zur Arbeit. Auf dem Weg mache ich Halt im Lottoladen. Ich bin ein Glückskind. Genau der richtige Zeitpunkt, sich einen Lottoschein zu kaufen und das unfaire System des Universums auszunutzen, dass derjenige, der schon alles hat, immer noch mehr bekommt. Anders ist es ja wohl nicht zu erklären, dass Schauspielern, die astronomische Gagen einheimsen, Kleidung, Juwelen und Brennstoffzellenautos begeistert als Geschenke nachgeworfen werden. Und nun werde ich mal gewinnen und mich dafür ab und zu mit einer schäbigen Discounter-Papiertüte ablichten lassen, damit nur keiner denkt, ich würde durch den Reichtum abheben oder so etwas. Und weil man dem Universum auch irgendetwas zurückgeben muss, adoptiere ich vielleicht auch noch Kinder aus aller Welt. Kindermädchen, die den Kleinen die nötige Toleranz, Aufgeschlossenheit und verschiedene Sprachen vermitteln, kann ich mir dann ja auch leisten. Und ich muss nie wieder beschämt weggucken, wenn ich einen Bettler am StraÃenrand sehe und ich meine letzten Cents, die ich ihm hätte geben können, gerade für eine überflüssige Zeitschrift oder einen Coffee-to-go ausgegeben habe. Nein, ich werde ihm einfach ein blaues Scheinchen in den Hut legen und
zwinkernd sagen: »Aber nicht für Alkohol ausgeben, Herzchen.«
Lottospieler werden ja immer ein bisschen als naive Deppen belächelt, die sich über drei Richtige freuen und dabei verdrängen, dass sie den dabei gewonnenen Betrag schon hundertmal investiert haben. Als würde es darum gehen. Man muss den symbolischen Mehrwert des kleinen Zettelchens sehen. Die vielen angenehmen Tagträume, die einem das Leben bis zur Ziehung verschönern. Und so unwahrscheinlich ist es ja auch gar nicht, dass man die Millionen einstreicht. Das ist wie mit den schlimmen Krankheiten und Schicksalsschlägen, von denen man auch immer denkt, sie würden nur die anderen treffen, und plötzlich holen sie einen doch ein. Warum sollte das mit einem Lottogewinn nicht auch funktionieren?
M ein glasiger Blick bleibt in der Redaktion nicht unbemerkt. »Sie wissen aber schon, dass Sie eine Alkoholverzichtserklärung unterschrieben haben?«, fragt mich Picard ungewohnt ernst gleich zur BegrüÃung.
»Klar, hicks«, scherze ich.
Er starrt mich prüfend und besorgt an. Denkt er wirklich, ich hätte mich am frühen Morgen besoffen? Wie lustig. Fast hätte ich seinen verkniffenen Mund geküsst. Weil er offenbar meine Freundin Toni glücklich macht und überhaupt die Welt und die Menschen darin so wunderbar sind. Da rettet Toni mich davor, mich vollends lächerlich zu machen. Sie schnuppert an meinem Mund und zwinkert ihrem Liebsten
zu. »Nein, Chef, keine Spur von einer Fahne. Ich glaube, da sind eher spirituelle als spirituöse Mächte am Werk.«
Ich kichere. PaPis Zweifel gegen mich sind aber noch nicht behoben, misstrauisch kommt er mir näher. Da formt Toni einen kleinen Kussmund. Bei Picard fällt der Groschen. Er
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