Eigentlich bin ich eine Traumfrau
süÃen Kindern als einer rotblonden Schrulle ab.
Vor dem Hotel tauschen Juan und ich unsere E-Mail-Adressen aus, und er schlägt vor, dass Alexanders und meine
Hochzeitsreise auf jeden Fall nach Mexiko führen solle. Er hat sogar noch ein kleines Geschenk für mich. Ich bin gerührt und ärgere mich, dass ich gar nichts für ihn habe, das ihm zeigen könnte, wie wunderbar der Tag mit ihm für mich gewesen ist. Ich verspreche dafür, ihm ein Exemplar des Buches mit persönlicher Widmung zu schicken â falls ich seinem Ratschlag folgen sollte. Dann rolle ich das Tuch auseinander, das er mir in die Hand gedrückt hat und finde einen kleinen, hölzernen Götzen.
»Ab Kin Xoc«, sagt er, »Gott der Dichtung.«
Jetzt bloà nicht losheulen. Ich küsse Juan auf beide Wangen und versichere ihm, dass ich noch nie so nette Geschenke wie die Schmetterlinge und den kleinen Gott bekommen habe. Dann renne ich schnell davon.
I ch stinke sicher fürchterlich nach SchweiÃ, Qualm und Alkohol. Mit süffisantem Lächeln erkundigt sich der Portier in der Eingangshalle, ob ich Spaà gehabt hätte.
Vermutlich denkt er, ich wäre eine Springbreak-Touristin. Eine von den vielen Amerikanerinnen, die hier im Frühjahr in Horden einfallen und ihre frisch erblühten Titten mit Hochprozentigem begieÃen â um dann in der Heimat wieder in Prüderie zu verfallen und vor dem WeiÃen Haus für Jungfernschaft bis zur Ehe zu demonstrieren. Vielleicht haben sie auch Juan gesehen und geglaubt, ich hätte gerade einen der ihren dafür bezahlt, ihn flachlegen zu dürfen. Verfluchtes Luder!
Aber der Ausflug hat mich gestärkt. Ich werde es tun,
einmal etwas riskieren. Ich schreibe einen Roman und habe dann Alexander fast gar nicht belogen, nicht einmal, als ich angedeutet hatte, ich würde mich auch auf dem Literatursektor bewegen. Ich kann mich der AuÃenwelt rein und voller Unschuld präsentieren.
Mir ist sogar danach, meine Mutter zu umarmen, die ich schändlicherweise krank zurückgelassen habe und die auÃer der Hotellandschaft noch gar nichts von Mexiko gesehen hat. Immerhin wäre ich ohne sie gar nicht hier, nicht einmal auf der Welt. Ich buche für unser letztes Wochenende einen Ausflug zu der »Isla Mujeres«. Insel der Frauen, das passt doch.
»Hast du Spaà gehabt?«, fragt sie vergnügt, als ich sie endlich auf einer Liege am Pool finde.
»Ja«, sage ich.
»Und dein mexikanischer Kavalier?«
»Der bevorzugt Männer«, sage ich und muss lachen.
Sie zuckt bedauernd mit den Schultern. »Wie schade.«
Ich verzichte auf jeden Kommentar, gebe ihr einen Kuss auf die Wange und lasse mich immer noch ungeduscht in die Liege neben ihr fallen.
A m Hafenbecken von Cancún angekommen, falle ich in die Quietschgeräusche meiner Mutter ein. Durch die Planken sehen wir in einem Wasser, das man nur »kristallklar« nennen kann, jede Menge knallbunte Fische schwimmen. Solche, die man sonst nur in Aquarien zu Gesicht bekommt.
»Wäre es nicht toll, wenn wir bei der Ãberfahrt auch noch
Delphine oder eine Haifischflosse zu sehen kriegen?«, ruft Mama begeistert.
»Au ja!«, stimme ich ungehemmt euphorisch ein. Andauernde Hitze und ein schwerer Schicksalsschlag verwandeln einen glatt in einen lässigen, gleichmütigen Menschen. Ich sehe mich nicht einmal um, ob jemand uns peinlich berührt betrachtet. Es ist mir völlig gleich. Ich will ehrlich gesagt auch Delphine und eine Haifischflosse sehen. Ich fühle mich seit meinem Ausflug so ⦠frei.
Und in mancher Hinsicht könnte meine durchgedrehte Mutter mir doch als Vorbild dienen, erkenne ich erstaunt. Ihr ist nicht nur in der mexikanischen Hitze, sondern auch im deutschen Winter völlig egal, was andere von ihr denken. Sie macht einfach, was ihr einfällt â in all ihren ulkigen Widersprüchen. Wohl zum ersten Mal empfinde ich so etwas wie Respekt für sie. Spontan hake ich sie unter, während wir uns im kleinen weiÃen Ausflugsboot juchzend so weit vorlehnen, dass uns die Gischt ins Gesicht spritzt. Erst guckt sie etwas überrascht auf meinen Arm. Dann fangen wir beide an zu lachen.
Hach, die Karibik. Selbst als wir tieferes Wasser erreichen, können wir noch bis auf den Grund sehen. Es ist so blau, dass man gar nicht glauben kann, dass es sich bei den schillernden Tönen nur um eine optische
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