Eighteen Moons - Eine grenzenlose Liebe (German Edition)
annähernd solche Fähigkeiten besaß wie er.
Bei den wenigen Malen, die wir uns an der Befragung beteiligen durften, ließ Macon Lena und John nicht aus den Augen. Ich glaube, er befürchtete, dass die Anziehungskraft, die John in der Vergangenheit auf Lena ausgeübt hatte, wieder aufleben könnte. Aber Lena war jetzt stärker und sie ärgerte sich genauso über John wie wir anderen. Ich machte mir eher Sorgen um Liv. Ich hatte ja gesehen, wie die Mädchen auf John reagiert hatten, als er zum ersten Mal im Dar-ee Keen aufgetaucht war. Aber zum Glück schien Liv immun gegen ihn zu sein.
Ich war an die Höhen und Tiefen gewöhnt, die ein Leben zwischen der Welt der Caster und der Welt der Sterblichen mit sich brachte, aber zurzeit gab es nur noch Tiefen. In derselben Woche, in der John Breed wieder aufgetaucht war, verschwanden Ridleys sämtliche Kleider aus ihrem Zimmer, so als wäre sie für immer gegangen. Aber vor allem verschlimmerte sich der Zustand von Tante Prue.
Als ich das nächste Mal ins Bezirkskrankenhaus fuhr, bat ich Lena nicht, mitzukommen. Ich wollte mit Tante Prue allein sein. Ich wusste selbst nicht, wieso, aber ich wusste ja auch sonst nicht, was mit mir los war. Vielleicht verlor ich allmählich den Verstand. Vielleicht war ich die ganze Zeit schon verrückt gewesen und hatte es nur nicht gemerkt.
Es war eiskalt. Man hätte meinen können, dass sämtliche Energie aller Klimaanlagen in Gatlin hierher ins Krankenhaus umgeleitet worden wäre. Von mir aus hätte es überall so kalt sein können, nur nicht hier, wo die Kälte um die Patienten herumkroch wie um die Leichen in einem Kühlhaus.
Eine solche Kälte war niemals angenehm und sie roch auch nicht gut. Wenn man schwitzte, spürte man wenigstens, dass man noch am Leben war; es war der menschlichste Geruch, den man ausströmen konnte. Vielleicht hatte ich aber auch nur zu sehr über die metaphysischen Auswirkungen von Hitze nachgedacht.
Wie gesagt, vielleicht war ich auch einfach verrückt.
Als ich zum Empfangstresen kam, sagte Bobby Murphy kein Wort, er schaute mich nicht einmal an. Er gab mir einfach das Klemmbrett und eine Besucherkarte. Ich war mir nicht sicher, ob Lenas Halt-die-Klappe-Bann dauerhaft wirkte oder nur, wenn ich in seiner Nähe war. Das eine war mir so recht wie das andere. Mir war sowieso nicht nach Reden zumute.
Diesmal machte ich keinen Abstecher in das Zimmer des anderen John und auch nicht in das Stickerei-Zimmer oder das Traurige-Geburtstagsparty-Zimmer. Als ich an dem Raum mit dem Essen, das gar kein Essen war, vorbeiging, hielt ich den Atem an, bevor mir der Geruch der künstlichen Nahrung in die Nase steigen konnte.
Dann roch ich Lavendel und war bei Tante Prue angekommen.
Leah saß auf einem Stuhl neben dem Bett, die Stiefel auf den Abfalleimer für Sondermüll gestützt, und las ein Buch in irgendeiner Caster- oder Dämonensprache. Sie trug heute nicht die normale pfirsichfarbene Uniform des Krankenhauspersonals. Anscheinend hatte sie die Rolle der Krankenschwester aufgegeben.
»Hallo, ihr zwei.«
Sie blickte hoch und war sichtlich überrascht. »Selber hallo. Das wird aber auch Zeit. Ich habe mich schon gewundert, wo du bleibst.«
»Weiß auch nicht. Hatte zu tun. Blöde Sachen.«
Ausflippen, Zwitter-Inkubi jagen, Ridley, meine Mutter und Mrs English, verrücktes Zeug über ein verrücktes Rad …
Sie lächelte. »Na, ich freue mich jedenfalls, dich zu sehen.«
»Ich mich auch.« Mehr brachte ich nicht heraus. Ich zeigte auf ihre Stiefel. »Hast du keine Angst, dass sie dir hier deswegen die Hölle heiß machen?«
»Nö. Ich gehöre nicht zu den Mädchen, denen die Leute die Hölle heiß machen.«
Ich schaffte es nicht, einfach ein bisschen zu plaudern. Es fiel mir von Tag zu Tag schwerer, mich mit Menschen zu unterhalten, sogar mit denen, die ich mochte.
»Macht es dir was aus, wenn ich ein bisschen bei Tante Prue bleibe? Ich meine, allein?«
»Natürlich nicht. Ich werde so lange eine Runde mit Bade drehen. Wenn sie nicht bald stubenrein ist, muss sie im Freien schlafen, dabei ist sie doch wirklich eine Hauskatze.« Leah warf ihr Buch auf den Stuhl und war mit einem Zischen aus dem Zimmer verschwunden.
Ich war allein mit Tante Prue.
Seit meinem letzten Besuch war sie noch kleiner geworden. Überall waren Infusionsschläuche, wo früher keine gewesen waren – als würde sie sich nach und nach ganz in eine Maschine verwandeln. Sie sah aus wie ein Apfel, der in der prallen Sonne verschrumpelte,
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