Eighteen Moons - Eine grenzenlose Liebe (German Edition)
zu sein, an einem Ort direkt aus dem Lehrbuch für Weltgeschichte, das wir an der Jackson High so gut wie niemals aufschlugen. Der Raum war so riesig, dass ich gedacht hatte, es sei das Innere eines Schiffs oder einer Kathedrale. Ein Platz, der einen weiterbrachte, entweder übers Meer oder ins Paradies, von dem die Schwestern dauernd sprachen.
Aber jetzt wirkte er verändert. Die Gestalten in den dunklen Roben – Caster, Sterbliche, Hüter oder was immer sie waren – sahen wie ganz normale Menschen aus. Es war die Art von Menschen, die ich kannte. Sie hätten ebenso gut in der Turnhalle der Jackson High sitzen und darauf warten können, dass der Disziplinarausschuss zu tagen begann. Egal ob auf den Bänken hier oder den Tribünensitzen dort, diese Leute warteten alle nur auf das eine. Auf die Sensation. Auf das Drama.
Schlimmer noch, sie wollten Blut sehen. Sie wollten einen Schuldigen, jemanden, den man bestrafen konnte.
Es war wie bei einem Jahrhundertprozess, bei dem eine Horde von Reportern im Gefängnis von South Carolina darauf wartete, dass ein Insasse des Todestrakts die Giftspritze erhielt. Die Hinrichtungen wurden von jedem Fernsehsender übertragen und standen in jeder Zeitung. Ein paar Leute wären da, um gegen die Hinrichtung zu protestieren, aber sie sähen so aus, als hätte man sie eigens für diesen Tag mit Bussen herangekarrt. Alle anderen waren gekommen, um dem Spektakel zuzusehen. Es war kein großer Unterschied zu den Hexenverbrennungen in Arthur Millers The Crucible.
Die Menge drängte sich murmelnd nach vorne, wie ich es bereits vorausgesehen hatte, dann hörte ich einen Hammer fallen. » Silentium.«
Lena packte meinen Arm.
Liv zeigte auf die andere Seite des Raums. »Macon. Er ist dort drüben.«
Ich schaute mich um. »Ich sehe Marian nicht.«
Vielleicht ist sie nicht hier, Ethan.
Sie ist hier.
Sie war ganz sicher da, denn ich wusste ja, was geschehen würde. Ich zwang mich, hochzuschauen.
Da oben …
Ich zeigte hinauf zu Marian, die wieder in Mantel und Kapuze gehüllt war und an den Handgelenken mit einer goldenen Schnur gefesselt war. Sie stand auf der Empore, hoch über den Köpfen, genau wie beim letzten Mal. Der groß gewachsene Bewahrer stand neben ihr.
Die Leute um uns herum flüsterten jetzt nur noch. Ich blickte Liv an, die für uns übersetzte. »Er ist der Oberste Bewahrer. Er wird …« Ihre Augen füllten sich mit Tränen. »Das ist keine Verhandlung, Ethan. Das ist der Urteilsspruch.«
Ich hörte die lateinischen Worte, aber diesmal versuchte ich nicht, sie zu verstehen. Ich wusste, was sie bedeuteten, ehe der Oberste Bewahrer sie für uns verständlich wiederholte.
Marian wurde des Verrats schuldig gesprochen.
»Der Rat der Hohen Wacht, der einzig und allein der Ordnung der Dinge verpflichtet ist und keinem Menschen und auch sonst keiner Kreatur, keiner Macht, sei sie Dunkel oder Licht, befindet Marian von der Westlichen Wacht des Verrats schuldig.«
Ich erinnerte mich daran, wie ich diese Worte zum ersten Mal gehört hatte.
»Es sind die Folgen ihrer Tatenlosigkeit. Und dafür muss die Hüterin einstehen. Obwohl sie eine Sterbliche ist, wird sie in das Dunkle Feuer zurückkehren, aus dem alle Macht entstammt.«
Ebenso gut hätte ich derjenige sein können, den man zum Tode verurteilt hatte, so unerträglich war der Schmerz, der durch meinen Körper jagte. Ich sah, wie sie Marian die Kapuze vom kahl geschorenen Kopf rissen. Ich blickte in ihre Augen, die von dunklen Ringen umgeben waren, so als hätte man ihr wehgetan. Ich wusste nicht, ob es körperlicher Schmerz oder seelischer Schmerz oder sogar Todesschmerz war, den sie durchlitt. Ich stellte mir vor, dass es noch etwas Schlimmeres war.
Ich war der Einzige, der mit diesem Ausgang gerechnet hatte. Liv brach schluchzend zusammen. Lena taumelte gegen mich und ich musste sie stützen. Nur John stand aufrecht da, ungerührt, die Hände in den Hosentaschen vergraben.
Die Stimme des Obersten Bewahrers dröhnte durch den Saal. »Die Ordnung ist gestört. Bis die Neue Ordnung sich zeigt, muss dem Alten Recht Genüge getan und Sühne geleistet werden.«
»Immer diese Gerichtsdramen. Wenn ich dich nicht besser kennen würde, Angelus, dann würde ich glauben, dass du Werbung für eine billige Fernsehsendung machst.« Macons Stimme hallte durch die Versammlung, aber sehen konnte ich ihn nicht.
»Deine sterbliche Unbekümmertheit beschmutzt diesen geheiligten Ort, Macon Ravenwood.«
»Meine sterbliche
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