Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Abend im Club

Ein Abend im Club

Titel: Ein Abend im Club Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Gailly
Vom Netzwerk:
aber noch ergänzt durch die Rhythmusgruppe Scott-Paul – ich kann mir gut vorstellen, was daraus wurde. Etwas wie ein Glücksgefühl, dass einem der Atem stockt und man Tränen lacht.
    Und zur Krönung des Ganzen, mit einer gewissen Komik, die alle Anwesenden erleichterte, denn Glücklichsein strengt an, ging Bill, der Pianist, der gelegentlich auch sang und sich selbst am Flügel begleitete, zu Debbie, schmiegte sich an sie und sang ins selbe Mikro.
    Simon sagte mir: Ich wünschte mir damals, dass es nie aufhören würde. Danach kehrten sie zu ihren Plätzen zurück, unter den Blicken der Frauen und Männer, allen möglichen Blicken, bewundernden, neidischen, dankbaren, staunenden, denn Simon und Debbie, ich sagte es bereits, waren, was man ein schönes Paar nennt.
    Ich habe sie auch als Ehepaar gekannt. Ich war ihr Trauzeuge. Ich weiß noch, an jenem Tag dachte ich an Suzanne. Das war nicht besonders nett, aber menschlich. Auch Simon dachte an sie, er hat es mir gesagt. Ich mochte sie gern, meine kleine Suzie. Wir verstanden uns gut, wir dachten in vielen Dingen ähnlich. Armes Mädchen. Na ja, so ist das Leben.
    In der Zwischenzeit lag sie ganz allein in ihrem gemeinsamen Bett, es muss so etwa halb eins, vielleicht auch eins gewesen sein, und dachte an ihn.
    Bevor sie sich zu ihm auf den Weg machte, rief sie mich zweimal an, um mir von ihrer Unruhe zu erzählen. Es gibt Glückszustände, die beunruhigen. Blitze intensiver Freude schießen ins Dunkel. So war es bei Simon.
    Sie wusste es. Ich auch. Auch ich kannte ihn gut. Sie rief mich an, um mich zu fragen, was sie tun solle. Sie wollte ihn abholen. Meiner Ansicht nach keine gute Idee. Er braucht ein wenig Auslauf, sagte ich ihr, lass ihn, er kommt schon zurück. In welchem Zustand?, fragte sie mich.
    Das Risiko war mir ebenso bewusst wie ihr. Andererseits wusste ich auch um Simons Traurigkeit, um sein vorgetäuschtes Leben, sein vorgetäuschtes Sein, die tote Seele, die er hinter sich herschleppte. Sie auch, nehme ich an, aber für sie war es anders, er war ihr Mann, sie kümmerte sich um ihn, wachte über ihn, während bei mir, wenn ich darüber nachdachte, ganz andere Saiten berührt wurden, ich dachte als Maler, als Künstler darüber nach, kurz, ich dachte an den Vorrang der Kunst, und der Rest ist nicht so wichtig. Die Kunst unter Einsatz des Lebens, wer denkt heute noch so?
    Hör zu, sagte ich ihr, wenn du wirklich nicht länger warten kannst, hol ihn ab, dann siehst du, was los ist, zumindest siehst du ihn und bist beruhigt.
    Hätte ich nur geschwiegen. Dann wäre sie vermutlich noch am Leben. Das sage ich so, aber nein, ich mache mir diese Vorwürfe zu Unrecht, sie wäre in jedem Fall hingefahren. Sie liebte Simon, wie nur eine Frau zu lieben vermag. Wir können das nicht verstehen.
    Das habe ich Simon gesagt. Er hat geweint. Was bist du doch für ein Idiot, du bist wirklich ein Idiot, dachte ich. Ich dachte es über mich, nicht über Simon, obwohl mir manchmal auch der Gedanke kam, er habe sich benommen wie ein Idiot. Gleich nach Suzannes Tod ist er zu mir aufs Land gekommen. Und hat mir von seiner Eskapade erzählt.

9.
    Danach kehrten sie zu ihren Plätzen zurück, unter den Blicken der Frauen und Männer, allen möglichen Blicken, bewundernden, neidischen, dankbaren, staunenden, und auf eine knappe Handbewegung, ein Zeichen Debbies hin brachte der Barkeeper neue Wodkas.
    Bill setzte sich an seinen Flügel. Die Stimmung würde wieder nachlassen. Gemeinsam mit Scott und Paul stimmte er einen Blues in F an, den alle kannten. Alle sangen mit.
    Auch Debbie sang mit, dann verstummte sie, sie sah Simon an, auf eigentümliche Weise, und sagte schließlich: Schade, dass Sie verheiratet sind, Sie könnten hier bleiben, wir könnten zusammen arbeiten, wir verstehen uns gut, ich gefalle Ihnen, Sie gefallen mir, es ist wirklich zu dumm. Es ist eben so, sagte Simon, ich kann nicht.
    Einfach nur um nach zwei, drei eher schwungvollen Stücken ein bisschen zu Atem zu kommen, spielte Bill einen hübschen kleinen Song an, That’s All.
    Das Thema war kaum erklungen, da richtete sich Debbie auf wie ein etwas beschwipstes kleines Mädchen und rief: Oh, das liebe ich, ich liebe es, ich möchte es singen, und dann, mit einem gespielt flehentlichen Blick auf Simon: Darf ich? Aber sicher, sagte er.
    Sie war sehr verführerisch. Ich verstehe, dass Simon ihr erlegen ist. Nicht eigentlich hübsch, aber in meinem ganzen Leben bin ich nie einer Frau mit so viel Charme begegnet.

Weitere Kostenlose Bücher