Ein Abend im Club
Hotel, sagte Simon. Suzanne: Allein? Na hör mal, sagte er, nun nerv mich nicht, versuch doch zu verstehen, es tut mir gut, ich hab es gebraucht, ich hab es nicht herbeigeführt, es hat sich ergeben, die Umstände, ja, klar, ich hätte auch ablehnen können, aber schließlich und endlich, mach dir keine Gedanken, geh schlafen, ich ruf morgen noch mal an und sag dir Bescheid.
Suzanne legte auf und zerstörte die perfekte Ordnung der Stifte auf Simons Schreibtisch, ohne jedoch die unnachahmliche Unordnung von Simons Stiften wiederherzustellen, der indes seine Stifte, sein ganzes früheres Leben vergessen hatte, als er die Telefonzelle verließ.
Das Gespräch hatte ziemlich lange gedauert. Trotzdem hatte er noch einen Haufen Münzen. Sie störten ihn in der Tasche. Im Vorbeigehen hielt er sie der müden Schönen hin. Sie nahm sie an, ohne etwas zu verstehen. Er schien sie ihr zurückzugeben, als hätte sie sie ihm aus eigener Tasche geliehen oder als hätte er gar nicht telefoniert.
Hinter ihr drehte sich die Platte, die Hülle stand daneben. Der feine Swing von Sonny Rollins, boshafte Einfälle, spitze Noten, hingebungsvolle Läufe. Seine beste Zeit, dachte Simon, dann drückte er die erste Tür auf und ging die Treppe hinunter, zwischen den beiden Türen hörte er ein wenig Rollins und ein wenig vom Klaviertrio, die drei jungen Amerikaner spielten wieder.
Simon ging zur Bar. Durch die zweite Tür war er wieder in den Klang, das Licht, die Atmosphäre des Clubs eingetaucht, in den schönen Ton des Trios, das rote Licht, in den Geruch des Jazz, er füllte sich die Lungen damit wie mit einer langen, langsamen toxischen Inspiration.
Er wollte zu Debbie zurück. Das junge Mädchen, dem der Schlagzeuger Paul den Hof gemacht hatte, war jetzt allein. Sie hatte sich der Bühne zugewandt. Sie lächelte. Sie bewunderte Paul, der mit erhobenem Kopf und geschlossenen Augen seine kleine Trommel streichelte. Hervorragendes Besenspiel, dachte Simon.
Der Barkeeper teilte ihm mit, Debbie erwarte ihn weiter hinten, an einem Tisch. Geben Sie mir noch ein Glas, sagte Simon. Schon erledigt, sagte der Barkeeper. Er hatte etwas Feindseliges. Sie erwartet Sie mit einem Drink, sagte er.
Simon suchte sich seinen Weg zwischen den Tischen. Er war ein wenig betrunken, im Vorübergehen sah er in Gesichter, die er hätte lieben mögen, sein Herz liebte wieder, und er hatte Lust, alle zu lieben, allen zu sagen, dass Debbie ihn liebte und dass er Debbie liebte. Er wagte sie nicht anzusehen. Wusste, dass sie ihn ansah. War dazu erst imstande, als er vor ihr stand.
Dieses Gesicht gefiel ihm über alle gewöhnliche Verführung hinaus, aber er war noch weit davon entfernt, den Grund hierfür zu verstehen. Sie schien sich so zu freuen, ihn wiederzusehen. Wie sich in ihm die Liebe offenbarte, offenbarte sie sich womöglich auch in ihr, schwer zu sagen.
Ist es gut gelaufen?, fragte sie. Was?, fragte Simon. Ihr Telefongespräch, sagte Debbie. Simon fand dieses Siezen bezaubernd. O ja, sehr gut, erwiderte er, ich habe meiner Frau gesagt, dass ich erst morgen zurückkomme. Übrigens, wann geht der Vormittagszug? Debbie: Ich fahre nie mit dem Zug. Ich verstehe, sagte Simon, und außerdem muss ich mir noch ein Zimmer suchen.
Er rührte sein Glas nicht an. Debbie schob es in seine Richtung und kam dabei selbst näher. Sie könnten zu mir kommen, sagte sie. Ja, das könnte ich, sagte Simon, aber lieber nicht, Sie gefallen mir zu sehr, das nähme kein gutes Ende, suchen Sie mir lieber ein Zimmer in einem Hotel hier in der Nähe, ich muss zu Fuß hin. Ich bringe Sie mit meinem Wagen, sagte Debbie, gesetzt den Fall, Sie wären bereit einzusteigen. Das ja, sagte Simon, das gern. Sein Gesicht veränderte sich. Er spürte es. Berührte seine Wange. Er lächelte.
Debbie stand auf. Ich regle das sofort, sagte sie. Warten Sie hier. Trinken Sie Ihren Wodka, genießen Sie die Musik. Es dauert nicht lange. Simon sah ihr nach und dann wieder zu den drei Musikern. Obwohl er auf Debbies Gesicht, ihren Mund, ihre Stimme geachtet hatte, hatte er ihnen die ganze Zeit zugehört.
In ziemlich raschem Tempo schwelgten sie gerade in Milestone. Bei diesem Thema kann man gar nicht anders, dachte Simon. Er erinnerte sich, wie er selbst immer darin geschwelgt hatte.
Bill, der junge Pianist, hatte sich, wie ich schon sagte, in seinem Stil sehr von Simon inspirieren lassen, aber, so erzählte mir Simon, wenn der Swing stärker war als das bemühte So-tun-als-ob, gelang ihm
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