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Ein abenteuerliches Herz

Ein abenteuerliches Herz

Titel: Ein abenteuerliches Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Ludwig Arnold
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dann in einem anderen Wagen gemeinsam mit Ihnen reiste. Ich habe andere Züge benutzt, bin schließlich eigene Wege gegangen.«
    Doch noch saß ich in Ernst Jüngers Abteil. Und war so entrüstet wie er – seine Entrüstung über Mohler beherrschte einige Wochen lang unsere Korrespondenz. Die ist trotz mancher Wiederholung deshalb interessant, weil Jünger sich sonst selten so offen, auch politisch, geäußert hat – er hat sich politischer Äußerungen meist enthalten.
    Fünf Tage nach dem Silvesterbrief schrieb er: »Mohler hat offenbar eine ganz harte Hornhaut – sonst würde er wissen, daß man über einen Menschen, an dessen Tische man vier Jahre lang als Vertrauter gesessen hat, sich nur mit größter Zurückhaltung äußern darf. Demgegenüber spielt die Tatsache, ob er Recht oder Unrecht hat, keine Rolle. – Des Rätsels Kern verbirgt sich darin, daß er kein musischer Geist ist, und auch kein philosophischer, sondern ein historisch kalkulierender. Und auch in dieser Hinsicht ist er nicht ersten Ranges, sondern streift ziemlich dicht die grobe Politik. Infolgedessen faßt er von meiner Arbeit auch nur auf, was in diesen Rahmen fällt. Am Kleide sieht er nur den untersten, erdigen Saum. Es gibt keine Blumen, Tiere, Gärten für ihn. Da ich seine Erwartungen enttäusche, verwandelt er sich in einen unverschämten Gläubiger. Sie schreiben, er habe das Wort ›verschwommen‹ gebraucht. Verschwommen werden die Dinge, wenn sie in einen unklaren Spiegel fallen – es handelt sich um seine, Mohlers, Apperzeption. – Nun gut, solche Anhänger kann ich entbehren; es treten wertvolle Freunde dafür ein. Der Weg ist nicht einfach, aber ich habe das Gefühl, daß er nicht nur voran, sondern auch aufwärts führt.« Und als PS fügte er noch an: »An M. entrüstet mich auch die Unverfrorenheit, mit der jemand ankommt, um den anderen über seine eigene Arbeit zu belehren, die wirklich Nachdenken und Opfer genug verlangt. Außerdem: die Unterstellung, ich ließe mich durch Rücksicht auf die Demokratie beeinflussen. Abgesehen davon, daß diese auch einmal Recht haben kann, darf ich mir meine Gedanken machen, wie es mir gefällt. An Gegnern auf der Linken fehlt es mir ja nicht. Einige Schweizer, die dazu kommen, werden den Kohl nicht fett machen.«
    Ich schrieb eine Erwiderung auf Mohler und schickte sie Jünger, der am 8. Januar 1962 antwortete: »Ihre Erwiderung mögen Sie ungefähr so absenden. Wenn jemand etwas Negatives über uns sagt, etwa daß wir silberne Löffel gestohlen oder neulich beim Empfang der Hausfrau unter die Röcke gegriffen hätten, so ist es besser, daß wir uns nicht verteidigen. Semper aliquid hetaeret [sic!]. In diesem Sinne schlug ich einige Abstriche vor. (…) Ich habs übrigens nicht nötig, den herrschenden Mächten nachzulaufen. Daß ich den höchsten Orden der Bundesrepublik annahm, war ein Freundschaftsakt zwischen Heuß und mir. Schon dessen Gattin war eine meiner passionierten Leserinnen. Besonders die ›Marmorklippen‹ hatten es ihr angetan. Übrigens: Warum sollte ich eine feindselige Haltung zum heutigen Staat einnehmen? Wenn ich einen Orden oder einen Preis annehme, haben diese Leute mehr davon als ich. Soll ich mich etwa in die Ecke stellen, um Mohlers Beifall zu gewinnen, was hätte ich denn davon? Den wilden Mann spielen? Die Leute von heute wissen doch genau, mit wem sie es zu tun haben. ›Sie haben andere und höhere Orden, als wir sie Ihnen verleihen können‹, sagte Kiesinger, bevor er mir das Große Bundesverdienstkreuz aushändigte. Den Satz können Sie zitieren.« Danach folgte in etwas anderen Worten dieselbe Charakterisierung Mohlers, die er schon im Brief vom 5. Januar gegeben hatte. Nur mit der kleinen Nachschrift: »Alexander [Jüngers Sohn] war neulich bei Mohlers. Er hat den Eindruck, daß Mohler sich nicht nur in seinen Ideen, sondern auch physiognomisch vergröbert hat.« Übrigens trug Jünger, und betonte das auch immer wieder, bei offiziellen Anlässen das blaue Kreuz des Pour le Mérite stets über dem Bundesverdienstkreuz.
    Mein Artikel wurde nicht gedruckt, der »Christ und Welt«-Redakteur meinte, Jünger habe eine solche Ehrenrettung nicht nötig, sie sei sogar schädlich für ihn, eine »Kritik der Kritik« sei nicht angebracht, man bot mir an, stattdessen einen Leserbrief zu schreiben, außerdem wollte man mir die Möglichkeit geben, in einigem zeitlichen Abstand einen Artikel über Jüngers Bücher nach 1945 zu schreiben. Jüngers Kommentar:

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