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Ein abenteuerliches Herz

Ein abenteuerliches Herz

Titel: Ein abenteuerliches Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Ludwig Arnold
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obwohl sie aufrecht saßen und einander anblickten. So könnte es sein, bevor ein Kunstwerk durch einen Zauberspruch belebt würde. Auf der einen Seite würde die Realität, auf der anderen die Idealität abgestreift, und beide vereint zu voller Wirklichkeit. Das würde nun gleich geschehen. Ein Schauder flog mich an.
    Da zupfte mich einer am Ärmel, eine Art von Reiseleiter oder einer vom Personal, jedenfalls ein Merkurier. Er trug eine Mütze, als der einzige im Saal, der den Kopf bedeckt hatte.
    »Das übersteigt die Vorstellung – nicht wahr? Doch warten Sie – ich hole Ihnen den Prospekt.«
    Ich suchte und fand den Ausgang; es wurde unheimlich.
    *
    Am Steilhang mit dem jungen Hindenburg. Während der Unterhaltung spielten sich Luftkämpfe in großen Höhen ab. Wir hörten Abschüsse aus den Tälern; der Himmel war strahlend blau. Dann sank ein Fallschirm herab, groß, durchsichtig, kugelförmig – in seiner Mitte hing ein Mensch, winzig wie eine Ameise. Ein Planktonwesen, das in einer Gelatinekapsel schwebt. Der Mann landete und wurde sofort ergriffen; Bewaffnete führten ihn den Hang hinab.
    Das Intermezzo unterbrach ein Gespräch über Schutzzoll und Freihandel.
    »Letzten Endes kann es dem Soldaten gleich sein, wer die Ernte abliefert.«
    »Dem Soldaten vielleicht.«
    Da lag der Hase im Pfeffer; all unsere Themen mündeten hier. Er kam von den Preußen nicht los. Nur die Jagd war gemeinsam; wir sprachen also über die Besuche des Alten auf Januschau und über die Trophäensammlung dort. Der Hang bot Raum für die Randglossen.
    *
    War es ein Gartenfest mit gewähltem Publikum? Die Kleidung deutete es an. Wir saßen vor einem, halb skizzierten, Schlößchen mit dem Blick auf eine Rasenfläche, dahinter lag ein Tal.
    Neben mir lehnte eine rosa Puppe auf der Holzbank, halb im Gebüsch. Das gab zu träumen, flößte Ideen ein. Ich kniff sie in den Schenkel – leider hatte ich nicht bemerkt, daß sie inzwischen fortgegangen war und eine viel ältere, violette, vielleicht die Mutter, sich auf ihren Platz gesetzt hatte. Die lachte; sie hatte mich in flagranti erwischt. Sie würde die Gesellschaft auf meine Kosten amüsieren; das war ärgerlich. Am besten würde ich tun, als ob ich mich gar nicht geirrt hätte.
    Während ich darüber nachsann, kam im Garten Unruhe auf. Wir wurden beschossen, doch gingen wir noch nicht in Deckung, sondern die Gesellschaft versammelte sich auf dem Rasenplatz. Einige blieben sogar beim Golf. Die Damen waren in langen Kleidern, die Herren im Straßenanzug ohne Hut. Die meisten rauchten – offenbar war der Beschuß nichts Ungewöhnliches.
    Am Horizont sah ich das Mündungsfeuer und dann die Bäusche des Pulverdampfs. Die Geschosse zischten dicht über unsere Köpfe, flogen dann aber noch weit in die Senke und explodierten dort.
    Es gab zwei Möglichkeiten: entweder lagen dort unten die Ziele, die gemeint waren. Dann waren wir hier in Sicherheit. Oder die Burschen schossen sich auf uns ein. Daß sie patzten und uns aus Versehen trafen, war auch in Rechnung zu ziehen.
    Die Gesellschaft schien das ballistische Problem nicht zu beschäftigen. Nun ja, die flogen viel und blickten kaum von der Zeitung auf, wenn die Maschine sich von der Piste hob und dicht über einen Wald oder eine Kuppe dahinraste. Jeder hatte auch schon Verwandte auf der Autobahn verloren; die Kurve zu schneiden, gehörte zu ihrem Pläsier.
    *
    Sie trat ins Zimmer, zierlich, elegant, mit einem Blumenstrauß. Ich stellte ihn auf den Kamin, und als ich mich nach einem Augenblick wieder zu ihr wandte, blickte sie mich mit einem Schweinskopf an.
    Merkwürdig war, daß ich nicht erschrak, ja kaum verwundert war. Dazu mochte beitragen, daß ihr neuer oder vielleicht ihr eigentlicher Kopf sich im Stil hielt; er war zart und wie aus Elfenbein geschnitten, elegant und nicht unangenehm. Ich kannte sie seit langem – – – Gedanke: »Das hätte ich ihr nicht zugetraut.«
    Es war in meiner Wohnung; ich mußte Junggeselle sein. Ich ging dann ins Schlafzimmer. Zwei Handwerker in grünem Manchester waren an der Wand beschäftigt; ich sagte:
    »Sie sind wohl bei der Arbeit?«
    und darauf sie:
    »Wir ändern die Lichtleitung.«
    »Ah, Installateure, da darf ich nicht stören« – – – ich ging wieder.

IN ORMENS REVIER, 1965
    Wir schritten durch die Unterführung und beobachteten, als wir sie passiert hatten, einen Wurm von übernatürlicher Größe, der sich aus einem Abflußrohr des Bahndamms hervorzwängte. Seine

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