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Ein abenteuerliches Herz

Ein abenteuerliches Herz

Titel: Ein abenteuerliches Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Ludwig Arnold
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erdfeuchte Haut glänzte in blauen und roten suspekten Lichtern, während der Mond aufging. Das Tier war armdick und überspannte im Bogen die Straße, auf deren anderer Seite es sich mit peristaltischen Windungen in den Boden einwühlte. Es erinnerte an die plasmatischen Produkte spiritistischer séancen; und nur so war wohl auch zu erklären, daß es sich, nachdem es das Rohr verlassen hatte, in der Luft erhielt, obwohl sein Erscheinen eher auf ein Hervorquellen schließen ließ als auf Bewegung aus eigener Kraft. Hinter ihm tropften aus dem Ausguß goldene Münzen und Medaillons herab. Obwohl es mir widrig war, nahm ich einige von ihnen auf, doch so, daß meine Begleiter es nicht wahrnahmen. Der Erdwurm und sein Lohn.
    *
    Ausstieg aus einer Höhle, die sich ins Innere des Gebirges zog. Im Freien zurückblickend, sah ich, daß ich über eine kleine, doch äußerst giftige Schlange geschritten war. Sie hatte einen dünnen, rutenförmigen Körper, der sich jäh zur Kugel aufblähte, war also etwa wie eine Retorte geformt.
    Neben mir stand der Oberförster; wir warteten auf das Stierlein, das hinter mir aus der Höhle kam. Ich sah es im Licht des Eingangs erscheinen und rief es an, um es vor der Schlange zu warnen – zu spät, denn es hörte mich nicht. Doch ohne zu zögern und ohne sie zu sehen, ja nur von ihr zu ahnen, ging es darüber hinweg.
    Während ich das Stierlein umarmte, ging der Alte in die Höhle zurück. Er nahm das Tier mit leichtem Griff auf und trug es in das Innere hinein.
    *
    Sie war sehnig und schmal wie eine Lanze und gelb wie das Korn vor der Reife, also mit grünlichem Glanz. Ich sah sie an allen kreisförmigen Bewegungen teilnehmen. Der Heuwender warf sie durch die Luft; sie flog mir am Ohr vorbei. Sie folgte den Pferden im Göpelgang. Auch als die Kinder »Dritten abschlagen« spielten und den Plumpsack umgehen ließen, fuhr sie mit ihnen in der Runde herum.
    Ich sagte zum Bauern, der neben mir stand: »Die kann man bald als Haustier ansehen.«
    Er antwortete: »Ja, aber die Mutter hat zugebissen, als sie sechzig Jahr lang auf dem Hofe war.«
    *
    Zur Nacht in Schlangenrevieren; es war eine lange Wanderung. Wenige Bilder erhielten sich im Licht. Zunächst mit Coralina in tropischen Wäldern; sie trug zum grünen Kostüm am langen Band eine rote Jagdtasche. Wir kamen an einen See, auf dessen seichtem Wasser Schildkröten und andere Tiere so reglos ruhten, als ob sie auf einen Spiegel gemalt wären. Da winkte Beute; Coralina stieg hinab, nachdem sie die Röcke geschürzt hatte. Zum Hors d'œuvre fischte sie Austern aus dem sandigen Grunde; dann ergriff sie einen kleinen Alligator am Hals. Er war nur handlang und suchte sich doch mit Krallen und Zähnen zu wehren, bis er in der Jagdtasche verschwand.
    Da löste sich eine Anakonda aus dem Schilf am Ufer, ein mächtiges laubgrünes Wesen, und schoß durch das klare Wasser davon. Eine Schlange im Wasser, eine lichtgrüne Riesin in voller Lebensfrische – das war ein günstiges Bild. Ich fühlte Kraft und Gesundheit in mich einströmen.
    Nun kamen wir in eine unwegsame Gegend; die Freundin blieb zurück. Es wurde trübe; ein Tal verengte sich. Den Weg begrenzten bestellte Felder, dann Bauernhöfe und endlich Mietwohnungen. Auch in den Häusern fehlte es nicht an Schlangen; sie waren zahlreich, lauernd, starr. Einmal streifte ich ein Band von Köpfen, die unter einem Schrank hervorlugten. Sie waren, hell und dunkel, aneinandergepreßt wie die Tasten eines Klaviers. Ein Hof schloß sich an, in dem Kammerjäger ihr Wesen trieben, verdächtige Kerle von großer Betriebsamkeit. Sie schleppten Säcke herbei, aus denen sie mit gläsernen Schaufeln ätzendes Gift auf die Tiere streuten, die spurlos dahinschwanden.
    Der Anblick schwächte mich; hier roch es nach Krankheit und Tod. Ich suchte zu fliehen und gewann den Ausgang ins Freie, vor dem ich zusammenbrach. Dort setzte der Weg sich fort und führte zu einem Gipfel, auf dem ein Aussichtsturm stand. Er war das Ziel, doch wie sollte ich es erreichen bei meiner Schwäche, die mir nicht zu stehen erlaubte, geschweige denn zu gehn? Zudem war der Weg schlammig; es mußte ein Unwetter niedergegangen sein.
    So schleppte ich mich denn auf allen vieren weiter und kam langsam, langsam bergan. Stelen markierten den Weg, dann kam ein Häuschen wie eine Zollstation. Ein Wärter trat heraus und sah mich vorbeikriechen. Der Anblick schien ihn zu ergrimmen; ich hörte ihn zornig rufen: »Seit wann sind denn die Hände

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