Ein abenteuerliches Herz
sein Zauberwort. Gottlob habe ich inzwischen die Wasserfahrräder erspäht. Sie stehen am Ufer, startbereit.
*
Zusammen mit Spiegelschleifern für ein Lachkabinett. Sie waren im Nebenberuf als Ägyptologen angestellt. Es muß in München gewesen sein. Als wir aus dem Haus traten, leuchteten in die Schlucht einer schmalen Gasse für einen Augenblick die beiden Türme der Frauenkirche ein. Türkiskuppeln.
Wir fuhren dann eine Strecke – ich glaube, bis Riedlingen. Dort mußte ich mich von den anderen trennen und zu Fuß nach Hause gehen. Zum Glück kam ein Fliegender Händler auf einem Dreirad, eher einem Zweirad mit klapprigem Beiwagen. Zwei seiner Kinder saßen drin. Ich zwängte mich zu ihnen; schließlich ist schlecht gefahren noch besser als ein Marsch zu Fuß.
In Altheim hielt uns ein Polizist an, und nachdem er uns moniert hatte, klemmte er sich auch noch hinein. Unangenehmer war jedoch, daß unser Zugtier sich vom Gefährt gelöst hatte. Ich sah es erst jetzt; es war eine Zikade oder eine Schabe – jedenfalls ein schmales und dunkles Flügeltier. Es war auch nicht eben groß, denn ehe ich einen Warnungsschrei ausstoßen konnte, zertrat eines der Kinder es mit dem nackten Fuß. Die Panne war nicht zu beheben; der Motor war hin. Der Händler war ruiniert, doch ich schien die Treppe hinaufzufallen: Festgäste, die zu einer Hochzeit fuhren, nahmen mich in ihrem Wagen mit. Ich hätte freilich nach ihrem Ziel fragen sollen, denn als wir ankamen, sah ich mich weiter als zuvor von dem meinen entfernt: in Ehingen.
Jetzt aber eine Taxe! Im Kurhaus hing ein Automat an der Wand, noch schäbiger als das Rad des Händlers, mit dem ich gescheitert war. Ich steckte meinen Groschen in den Schlitz und wählte die Nummer eines Taxigeschäfts. Erst als ich noch ein Goldstück geopfert hatte, meldete sich eine verschlafene Stimme: »Ich fahre nur bei gutem Wetter und nie bei Nacht.«
Sicher eine Ausrede, vielleicht sogar auf Band gesprochen, denn es war noch ganz hell. Also zum Portier. Er war beim Servieren, gefolgt von einer Ratte, die statt der Haare einen grünen Pelzmantel trug. Merkwürdige Tiere: Seeigel, Korzfleische, Musottern; Stoffregen von hinten dazu.
Der Portier bestätigte: der Chauffeur führe niemals bei Nacht. Offenbar hielten alle zusammen in diesem Kaff.
Das war wieder eine der Fahrten, die immer tiefer ins Labyrinth führen. Als ich darüber nachdachte, begann es mich zu wurmen, daß ich auf das Nächstliegende nicht verfallen war. Ich hatte mehr zu bieten als das Goldstück, das ich statt des Groschens in den Schlitz gesteckt hatte. Um mich über die Bande lustig zu machen, brauchte ich doch nur aufzuwachen – das war die beste, die bewährte Replik.
*
Antrittsbesuch. Das Grundstück des Nachbarn war durch eine enge Bucht des Sees von dem unseren getrennt. Ich wollte dorthin schwimmen und legte die Kleidung bis auf Hemd und Hose ab. Auch die Schuhe behielt ich an, denn barfuß ein Haus zu betreten, wäre unhöflich.
Der Nachbar empfing mich freundlich und führte mich in seine Bibliothek. Ich überlegte, weshalb ich gekommen war – jetzt fiel es mir ein: Die Verbindung mit den Toten ließ doch viel zu wünschen übrig – hier sollte etwas geschehen. Ich gedachte, zunächst empirisch vorzugehen und einen Kreis von Personen zu bilden, die schon solche Begegnungen gehabt hatten. Dann ließen sich vielleicht Medien finden und allgemeine Regeln aufstellen. Man dürfte sich aber nicht zu weit einlassen.
Der Nachbar hörte mich wohlwollend an. Er schien einen bedeutenden Posten am sächsischen Hof gehabt zu haben, war vielleicht sogar mit den Wettinern verwandt. Ich schloß das aus vergilbten Bildern; noch jetzt fanden Familientage statt.
Es war ein erster Besuch; ich wollte nicht lange stören und jetzt zurückschwimmen. Nun zeigte sich, daß man mir inzwischen einen Mantel angezogen hatte, wohl gleich, nachdem ich gelandet war. Es mußte ein Zwischenspiel gegeben haben, wohl gar einen zeremoniösen Empfang. Ich entsann mich dessen nicht und ließ mir den Mantel durch den Portier abnehmen. Darunter kam ein zweiter und dann ein dritter zum Vorschein – doch damit nicht genug, noch Jacken und Westen; kurzum, ich war eingehüllt wie eine Mumie.
Nachdem man mich auf den Stand gebracht hatte, in dem ich gekommen war, verließ ich das Haus; es waren nur wenige Schritte bis zum Strand. Der Hausherr blickte mir nach. Er hatte inzwischen Gesellschaft bekommen; ich hörte ihn sagen: »Sie sehen, daß es
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