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Ein abenteuerliches Herz

Ein abenteuerliches Herz

Titel: Ein abenteuerliches Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Ludwig Arnold
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angesprochen haben, so hier auch Toepfer:
    »Sie müssen jetzt einen Aufruf vorbereiten, der an die Jugend Europas gerichtet ist.«
    Ich erzählte ihm, daß ich bereits im Winter 1941/42 unter demselben Titel Aufzeichnungen machte, die ich dann den Flammen übergab. Nachher im »Raphael« dachte ich darüber nach.
    »Der Friede / Ein Wort an die Jugend Europas / Ein Wort an die Jugend der Welt.«
    Paris, 27. Juli 1943
    Begonnen mit dem Aufruf, und zwar mit der Einteilung in dreizehn Abschnitte, die sich in einer halben Stunde ergab. Es kommt vor allem darauf an, daß ich ganz einfach und verständlich bleibe, doch ohne Allgemeinplätze.
    Paris, 28. Juli 1943
    Am Aufruf gearbeitet. Entwurf und Ausführung des ersten Abschnitts, einer Art von Geleit, das seine Schwierigkeiten hat, weil es zunächst die allgemeine Stimmung, und zwar gefühlsmäßig, angeben muß. Ich schreibe nicht, wie damals beim ersten Ansatz, verschlüsselt, sondern Klartext.
    Bei Niederschrift des Wortes Jugend wurde mir der festliche Euphon der ersten Silbe deutlich, wie er in Jubel jung, Jul, iucundus, iuvenis, iungere, coniungere wie auch in vielen Zurufen und Götternamen wirkt. Das alte Fest der Juturnalien.
    Abends im »Wagram«, mit Ministerialdirektor Eckelmann, Oberst Kräwel, Graf Schulenburg, dem Regierungspräsidenten von Schlesien. Kräwel, der Kniébolo kürzlich etwa zwanzig Minuten gegenüber gesessen hat, bezeichnete dessen Augen als »flackernd«, durch die Menschen hindurchblickend und einem Geiste angehörig, der sich rasch auf die Katastrophe zubewegt. Ich besprach den Aufruf mit Schulenburg, der meinte, ob ich mich nicht besser ins Oberkommando der Wehrmacht nach Berlin begäbe. Es scheint jedoch, daß ich dort nicht den Schutz finden würde, den mir hier der Oberbefehlshaber gewährt. Speidel wurde ja schon damals von Keitel vor mir gewarnt.
    Die Popularität ist eine Krankheit, die um so chronischer zu werden droht, je später im Leben sie den Patienten befällt.
    *
    Paris, 16. Oktober 1943
    Nachgedacht über die Maschine und was wir hier versäumt haben. Als Ausbildung des reinen männlichen Intellekts gleicht sie einem Raubtier, dessen Gefährlichkeit der Mensch nicht gleich erkannte; er zog sie leichtsinnig bei sich auf, um zu erfahren, daß sie sich nicht domestizieren läßt. Merkwürdig ist, daß es bei ihrer ersten Verwendung, als Lokomotive, zur guten Lösung kam. Die Eisenbahn in staatlicher oder halbstaatlicher Hand und in peinlich geregelter Ordnung hat in diesen hundert Jahren zahllosen Familien ihr bescheidenes, auskömmliches Dasein geschaffen – ein Eisenbahner ist im allgemeinen ein zufriedener Mensch. Die Ingenieure, Beamten und Arbeiter genießen in diesem Rahmen viele Vorteile des Soldaten und wenige seiner Nachteile. Wir stünden besser, wenn man das Reich der automatischen Webstühle von Anbeginn in gleicher Weise behandelt hätte, in konstruktivem Aufbau von der Entstehung an. Freilich tritt bei der Eisenbahn etwas Besonderes hinzu – nämlich ihr räumlicher Charakter, der Umstand, daß sie eine ausgedehnte Anlage ist. Sie hat die Eignung, sich eine große Zahl von Existenzen anzugliedern, die nur zur Hälfte der Technik, zur anderen aber dem organischen Leben verhaftet sind, wie etwa die Bahn- und Schrankenwärter in ihrer einfachen, aber gesunden Lebensart. So hätte man von Anfang an jedem der technischen Berufe ein Landlos, und sei es auch nur ein Garten, zuordnen müssen, da jedes Leben doch von der Erde als von der All-Ernährerin abhängig ist und in den Krisen bei ihr allein Schutz findet.
    Die Technik gleicht einem Bauwerk, das auf ungenügend erforschtem Grund errichtet worden ist. In hundert Jahren wuchs es so gewaltig, daß Änderungen im allgemeinen, am großen Bauplan, ungeheuer schwierig geworden sind. Das gilt besonders für jene Länder, in denen sie sich am höchsten entwickelt hat. Hierauf beruht der Vorteil Rußlands, der jetzt sichtbar wird und der sich aus zwei prinzipiellen Gründen erklären läßt: es hatte keine technische Vorgeschichte, und es besaß genügend Raum. Freilich erfuhr es auch sogleich gewaltige Zerstörung an Gut und Leben, doch das aus einem Grunde, der außerhalb der Planung liegt.
    Die großen Zerstörungen unseres Vaterlandes könnten ein Gutes haben, indem sie uns für diese Dinge, die unwiderruflich gestaltet schienen, einen zweiten Beginn setzten. Sie schaffen eine Lage, die die kühnsten Träume Bakunins übertrifft.
    Beendet: den ersten Band

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