Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein abenteuerliches Herz

Ein abenteuerliches Herz

Titel: Ein abenteuerliches Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Ludwig Arnold
Vom Netzwerk:
durch weite, dem Leser unbekannte Wälder führt. So wird er durch Gebiete geleitet, deren Grenzen ihm verborgen sind, und nur zuweilen, wie ein Dufthauch, fliegt Kunde vom Überfluß ihm zu. Der Autor muß scheinen wie einer, der aus unbeschränkten Schätzen spendet; und indem er mit barer, klingender Münze zahlt, läßt er mitunter Stücke von fremder Prägung einfließen – Dublonen, auf denen man die Wappen von unerforschten Reichen sieht. Die Wendung Kiplings »Doch das ist eine andere Geschichte« muß im Text und feiner zugewogen sein.
    Paris, 23. Februar 1942
    Nachmittags im Palais Talleyrand zum Tee beim scheidenden Oberbefehlshaber, dem General Otto von Stülpnagel.
    Merkwürdig ist an ihm die Mischung von Zartheit, Grazie, Souplesse, an einen Vortänzer bei Hof erinnernd, mit Zügen, die hölzern und melancholisch sind. Er gebraucht Wendungen von spanischer Höflichkeit, trägt hohe Lackstiefel und goldene Knöpfe an der Uniform.
    Er hatte mich wegen der Geiselfrage rufen lassen, deren genaue Schilderung für spätere Zeiten ihm am Herzen liegt. Sie ist ja auch der Anlaß, aus dem er jetzt geht. An einer Stellung wie der seinen wird nur die große, prokonsularische Macht nach außen sichtbar, nicht aber die geheime Geschichte der Zwiste und Intrigen im Innern des Palasts. Sie ist erfüllt vom Kampf gegen die Botschaft und die Partei in Frankreich, die langsam Feld gewinnt, ohne daß ihn das Oberkommando unterstützt. Entwicklung und Fortgang dieses Kampfes, zu dem auch das Ringen um die Köpfe der Geiseln gehört, schildere ich auf Speidels Anordnung in den Geheimakten.
    Der General berührte zunächst die menschlichen und allzumenschlichen Züge der Angelegenheit. Es war zu merken, daß ihm die Dinge an die Nerven gegangen sind und ihn in seinen Grundfesten erschütterten. Dann ging er auf die taktischen Gründe seines Widerstandes ein. Es sei notwendig, Maß zu halten, schon im Hinblick auf das Potential. Die Industrien würden um so besser liefern, je mehr hier die Sache in Ordnung sei. Das sei doch bei dem unerwarteten Verlauf des Ostfeldzuges von höchster Wichtigkeit. Auch müsse der Einfluß auf Europa die Zeiten überdauern, in denen man mit den Bajonetten anwesend sei. Er habe sich an die Vernunft gehalten – von Schwäche, wie sie ihm die politische Führung vorwerfe, könne nicht die Rede sein. Wie viele alte Berufssoldaten trifft ihn vor allem der Vorwurf der Schwäche, der »Laurigkeit«.
    Im Angesicht der großen Überlegenheit der Gegner erschien ihm wohl der Rückzug auf den taktischen Standpunkt als der einzig mögliche. Daher versuchte er vor allem zu betonen, daß man durch Kollektivmaßnahmen der résistance den größten Gefallen tut. Daher auch in seinen Blitzsprüchen an das Oberkommando so oft der Satz: »Die Repressalien überschlagen sich.« Mit einem einzigen Pistolenschuß konnte ein Terrorist gewaltige Flutringe des Hasses auslösen. So kam es zu der paradoxen Ausflucht, daß man den größten Teil der Attentate in der Meldung an das Oberkommando unterschlug.
    In diesen Generalen offenbart sich die allgemeine Ohnmacht des Bürgertums und der Aristokratie. Sie haben Blick genug, den Gang der Dinge zu erkennen, doch fehlt es ihnen an Kraft und Mitteln gegenüber Geistern, die keine anderen Gründe kennen als die Gewalt. Die neuen Herren vernutzen sie als Flurhüter. Wie aber, wenn auch diese letzten Pfeiler gefallen sind? Dann breitet sich der bleierne, furchtbare Schrecken im Tschekastil über die Länder aus.
    An solchen Lagen gibt es auch immer eine Seite, die überzeitlich ist. Hier ist es die des Prokonsuls, in der schon Pilatus war. Mit fürchterlicher Wut verlangt der Demos von ihm das Blut Unschuldiger und jubelt den Mördern zu. Und aus der Ferne droht der Blitz des Imperators, der in göttlichen Ehren steht. Da ist es schwer, die Senatorenwürde aufrecht zu erhalten – man spricht das Urteil, indem man sich die Hände wäscht, oder verschwindet, wie hier, als Luftschutzwart in einen Berliner Häuserblock.
    Tod. Es treten immer einige wenige über, die für das Leben zu vornehm sind. Sie suchen das Weiße, die Einsamkeit. Der Edelmut von Wesen, die sich mit Licht den Schmutz abwaschen, tritt auf der Totenmaske oft schön hervor.
    Was ich am Menschen liebe, das ist sein Wesen jenseits des Todes und die Gemeinsamkeit mit ihm. Die Liebe hier ist matter Abglanz nur. »Was hier wir sind, kann dort ein Gott ergänzen – – – «
    Wie kommt Pontius Pilatus ins

Weitere Kostenlose Bücher