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Ein abenteuerliches Herz

Ein abenteuerliches Herz

Titel: Ein abenteuerliches Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Ludwig Arnold
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Credo?
    Man müßte die Kopten fragen; bei ihnen wird er als Märtyrer verehrt.
    Nachts Träume von Felsbastionen, auf denen ich kletterte. Sie waren so schlecht gegründet, daß mein Gewicht sie schwanken ließ und jede Bewegung von der Drohung ungeheurer Stürze begleitet war.
    Sobald ich fühlte, daß das Gleichgewicht nicht mehr zu halten war, machte ich eine Anstrengung, als ob ich die Augen öffnete, und schaltete den Traumgang aus. So handelte ich wie jemand, der einen Film vorführt, in welchem er zugleich agiert; wenn Katastrophen nahten, drosselte ich den Strom.
    In dieser Hinsicht habe ich doch viel gelernt, woraus mir für das Tagesleben Gewinn erwachsen soll. Wir träumen uns die Welt und müssen stärker träumen, wenn es nötig wird. Entscheidend für diese Jahre war eigentlich schon mein Verhalten in jenem Traum, in dem mir auf der Überfahrt nach Rhodos Kniébolo erschien und seinen Willen mit dem meinen maß.
    Ermitteln, wie das zeitlich der Nacht bei Gerstberger in Ermatingen zugeordnet war. Da öffnete sich für eine Sekunde der Vesuv; es kam die Einsicht, daß historische Kräfte zur Wendung nicht ausreichen. Die Hunde heulten um das Haus. Dem muß Trotts nächtlicher Besuch am Weinberg unmittelbar vorausgegangen sein. »Die wollen den Drachen angehn und erwarten die Legitimation von dir.« Bei Tage bilden sich Wolken um das furchtbare Massiv.
    *
    Paris, 18. August 1942
    Vormittags Papiere vernichtet, darunter das konstruktive Friedensschema, das ich in diesem Winter niederschrieb.
    Dann Unterhaltung mit Carlo Schmid, der in mein Zimmer trat und wieder von seinem Sohn erzählte, auch von Träumen und seiner Baudelaire-Übertragung, die nun beendet ist.
    In einem Papiergeschäft der Avenue Wagram kaufte ich ein Notizbuch; ich war in Uniform. Ein junges Mädchen, das dort bediente, fiel mir durch den Ausdruck seines Gesichtes auf: es wurde mir deutlich, daß es mich mit erstaunlichem Haß betrachtete. Die hellen blauen Augen, in denen die Pupillen zu einem Punkt zusammengezogen waren, tauchten ganz unverhohlen mit einer Art Wollust in die meinen – mit einer Wollust, mit der vielleicht der Skorpion den Stachel in seine Beute bohrt. Ich fühlte, daß es derartiges seit langem nicht unter Menschen gegeben hat. Auf solchen Strahlenbrücken kann nichts anderes zu uns kommen als die Vernichtung und der Tod. Auch spürt man, daß es überspringen möchte wie ein Krankheitskeim oder ein Funke, den man in seinem Innern nur schwer und nur mit Überwindung löschen kann.
    Das zweite Pariser Tagebuch
    Paris, 25. Juli 1943
    Wie kommt es, daß ich mit intelligenten und sehr intelligenten Menschen ungehemmter umgehe, unzeremoniöser, nonchalanter, sorgloser, weniger vorsichtig? Sie wirken tonisch auf mich. Es muß hier etwas vom »all men of science are brothers« dahinterstecken; in der Verständigung, im Hin und Wider freier, leichter Gedanken liegt etwas Brüderliches, als wäre man en famille. So ist auch der intelligente Feind ungefährlicher für mich.
    Bei der Begegnung mit Dummköpfen dagegen, mit Geistern, die die Gemeinplätze anerkennen und von ihnen leben, mit solchen, die auf die leere, äußere Rangordnung der Welt versessen sind, werde ich unsicher, unbeholfen, begehe Verstöße, rede Dummheiten.
    Es fehlt mir hier leider an Verstellungsgabe; so weiß Perpetua sogleich, wenn ich mich mit einem Besucher beschäftige, was die Glocke geschlagen hat. »Wer hat, dem wird gegeben« – das ist meine Maxime auch.
    »Das war die Lage, in der ich stand.« Ein Muster zahlloser Verstöße, die in der Rede verzeihlich sind, doch unzulässig in der Schrift.
    Cependant hat wie unser entsprechendes »indessen« sowohl einen zeitlichen als auch einen kontradiktorischen Sinn. Hier deutet sich einer der Zusammenhänge zwischen Grammatik und Logik an: zwei gleichzeitige Vorgänge haben, zum mindesten in der Wahrnehmung, immer etwas sich Ausschließendes.
    Paris, 26. Juli 1943
    Am Vormittag Besuche, so eines Majors von Uslar und eines Oberleutnants Kutscher, der aus Holland kam. Er brachte mir einen Brief von Heinrich von Trott, dessen nächtlicher, seltsamer Besuch im Überlinger Weinberghause damals in meine Konzeption der »Marmorklippen« eingeflossen ist.
    Abends mit Alfred Toepfer im Garten des Offiziersheimes in der Rue du Faubourg Saint-Honoré. Wir unterhielten uns dort zunächst über Cellaris und setzten uns dann, um die Lage durchzugehen, im Park auf eine einsame Bank. Wie viele mich in diesen Jahren

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