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Ein abenteuerliches Herz

Ein abenteuerliches Herz

Titel: Ein abenteuerliches Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Ludwig Arnold
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Beschleunigung aufeinanderfolgen, die einem an Tempo und Heftigkeit anwachsenden Trommelwirbel gleicht. Immer noch rasender werden Fall und Wirbel, in einen mächtig rollenden Donner sich verwandelnd, der endlich die Grenzen des Bewußtseins sprengt.
    So pflegt das Entsetzen den Menschen zu vergewaltigen – das Entsetzen, das etwas ganz anderes ist als das Grauen, die Angst oder die Furcht. Eher ist es schon dem Grausen verwandt, das das Gesicht der Gorgo mit gesträubtem Haar und zum Schrei geöffnetem Munde erkennt, während das Grauen das Unheimliche mehr ahnt als sieht, aber gerade deshalb von ihm mit mächtigerem Griff gefesselt wird. Die Furcht ist noch von der Grenze entfernt und darf mit der Hoffnung Zwiesprach halten, und der Schreck – ja, der Schreck ist das, was empfunden wird, wenn das oberste Blatt zerreißt. Und dann, im tödlichen Sturze, steigern sich die grellen Paukenschläge und roten Glühlichter, nicht mehr als Warnungen, sondern als schreckliche Bestätigungen, bis zum Entsetzlichen.
    Ahnst du, was vorgeht in jenem Raume, den wir vielleicht eines Tages durchstürzen werden und der sich zwischen der Erkenntnis des Unterganges und dem Untergang erstreckt?
    Fremder Besuch
    Leipzig
    Ich schlief in einem altertümlichen Hause und erwachte durch eine Reihe seltsamer Töne, die wie ein nasales »dang, dang, dang« summend erklangen und mich sofort auf das höchste beunruhigten. Ich sprang auf und lief mit gelähmtem Kopfe um einen Tisch. Als ich an der Tischdecke zog, bewegte sie sich. Da wußte ich: es ist kein Traum, du bist wach. Meine Angst steigerte sich, während das »dang, dang« immer schneller und drohender klang. Es wurde durch eine schwingende, in der Mauer verborgene Warnungsplatte hervorgebracht. Ich lief an das Fenster, aus dem ich auf eine alte, ganz schmale Gasse blickte, die im tiefen Schacht der Häuser lag, während über ihr der gezackte Schweif eines Kometen funkelte. Unten stand eine Gruppe von Menschen, Männer mit hohen, spitzen Hüten, Frauen und Mädchen, altertümlich und unordentlich angetan. Sie schienen soeben aus den Häusern auf die Gasse gelaufen zu sein; ihre Stimmen schollen zu mir herauf. Ich hörte den Satz: »Der Fremde ist wieder in der Stadt.«
    Als ich mich umwandte, saß jemand auf meinem Bett. Ich wollte aus dem Fenster springen, aber ich war an den Boden gebannt. Die Gestalt erhob sich langsam und starrte mich an. Ihre Augen waren glühend und nahmen mit der Schärfe des Anstarrens an Umfang zu, was ihnen etwas grauenhaft Drohendes verlieh. In dem Augenblick, in dem ihre Größe und ihr roter Glanz unerträglich wurden, zersprangen sie und rieselten, als ob glühende Kohlenbrocken einen Rost durchglitten, in Funken herab. Nur die schwarzen, ausgebrannten Augenhöhlen blieben zurück, als das absolute Nichts, das sich hinter dem letzten Schleier des Grauens verbirgt.
    Blaue Nattern
    Berlin, Osthafen
    Ich schritt eine staubige, langweilige Straße entlang, die sich durch eine hügelige Wiesenlandschaft zog. Plötzlich glitt eine herrliche, stahlgrau und distelblau gemusterte Natter an mir vorbei, und obwohl ich das Gefühl hatte, sie aufnehmen zu müssen, ließ ich es zu, daß sie im dichten Grase verschwand. Dieser Vorgang wiederholte sich, nur wurden die Schlangen immer matter, unansehnlicher und farbloser; die letzten lagen sogar tot und schon ganz von Staub überzogen auf dem Weg. Bald danach fand ich einen Haufen von Geldscheinen in einer Pfütze verstreut. Ich las sorgfältig jeden einzelnen auf, säuberte ihn vom Schmutz und steckte ihn ein.
    Die Schleife
    Leipzig
    … und in die Methodik führte mich Nigromontanus ein, ein vortrefflicher Lehrer, dessen ich mich leider nur tastend zu entsinnen vermag. Daß ich ihn fast ganz vergaß, liegt daran, daß er hinter sich die Spur zu löschen liebte wie ein Tier, das im innersten Dickicht haust. Doch ist der Vergleich nicht gut gewählt; besser ließe sich von ihm berichten, daß er wie ein Lichtstrahl war, der das Verborgene sichtbar macht, während er selbst im Unsichtbaren bleibt.
    Nur wenn ich guter Laune bin, bei vorzüglichem innerem Barometerstand, fallen mir gewisse seiner Eigentümlichkeiten ein, aber auch dann nur wie die Zeichen einer längst vergessenen Schrift. So strenge ich mich stets vergeblich an, im Geist den Weg zu seinem Seminar zurückzulegen, wie man doch oft verflossener Schulwege gedenkt. Indem ich darüber nachgrüble, gerate ich sogleich in sonderbare Verwirrungen. So weiß ich

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