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Ein abenteuerliches Herz

Ein abenteuerliches Herz

Titel: Ein abenteuerliches Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Ludwig Arnold
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in sein Inneres eingedrungen, um denOberförster aufzusuchen, denn ich hatte erfahren, daß er einen Adepten vernichten wollte, der nach der blauen Natter auf Jagd gegangen war.
    Ich traf ihn in seinem gotischen Jagdzimmer an, das einer Rüstkammer glich. Alle Wände waren mit Fallen behangen, sie waren ganz unter Fußangeln, Reusen, Netzen, Dohnen und Maulwurfsgalgen versteckt. Von der Decke hing eine Sammlung von listig geflochtenen Schlingen und Knoten herab – ein krauses Alphabet, und jeder Buchstabe war fängisch gestellt. Selbst der Leuchter entsprach dieser Einrichtung: seine Kerzen waren auf die Stacheln eines großen, ringförmigen Tellereisens gesteckt. Es war von der Sorte, die man im Herbst auf einsamen Waldwegen unter dürrem Laub verbirgt und die bei der leisesten Berührung durch einen Menschenfuß wie ein tödliches Gebiß in Brusthöhe zusammenschnellt. Heute jedoch ragten seine Zähne kaum sichtbar hervor, denn zu Ehren meines Besuches umwand sie ein aus mattgrüner Mistel und roten Vogelbeeren geflochtener Kranz.
    Der Oberförster saß hinter einem klobigen Tisch aus rötlichem Erlenholz, das in der Dämmerung phosphorisch erglimmt. Er war damit beschäftigt, kleine, drehbare Spiegelchen zu putzen, mit denen man im Herbst die Lerchen berückt. Nachdem er mir den Gruß erwiesen hatte, gerieten wir gleich in ein lebhaftes Gespräch, das sich auf die Jagdgerechtsame an den Hängen der blauen Natter bezog. Da ich beobachtete, daß er während dieses Gespräches zuweilen unauffällig die Anordnung der Lerchenspiegel veränderte, war ich sehr auf der Hut. Überhaupt benahm er sich recht sonderbar; so beschränkte er sich während langer Abschnitte unseres Streites, anstatt zu antworten, darauf, verschiedenartige Lockflöten aus der Tasche zu ziehen, auf denen er pfiff, fiepte oder blattete. Bei den bedeutsamen Wendungen des Gespräches aber griff er immer wieder auf eine große hölzerne Kuckucksflöte zurück und stieß Töne wie eine Kuckucksuhr hervor. Ich begriff, daß das seine Art zu lachen war.
    Wie verwickelt unsere Unterhaltung auch war, so kehrte sie doch stets zu ein und demselben Punkte zurück. Immer wieder betonte er:
    »In meinen Wäldern ist die blaue Natter das wichtigste – sie lockt mir das beste Wild ins Revier.«
    Und immer wieder versuchte ich vergebens, ihn zu beschwichtigen:
    »Aber die Hänge, an denen die blaue Natter lebt, werden doch nie von Menschen besucht.«
    Es schien, daß dieser Einwand ihn besonders erheiterte, denn sowie ich ihn vorbrachte, wiederholte er schier endlos seinen närrischen Kuckucksruf. Da Nigromontanus mir das Ohr auch für die ausgestorbenen Figuren der Ironie geschärft hatte, verzichtete ich weislich auf die Replik.
    So stritten wir lange in rätselhaften Sätzen, die zuweilen in eine reine Zeichensprache übergingen, hin und her. Endlich brach der Oberförster die Unterhaltung ab:
    »Ich sehe wohl, daß Sie mir im hieroglyphischen Dominospiel gewachsen sind. Sie sind seit dem Alten Pulverkopf der erste, der ansetzen kann. Aber steigen Sie nur selbst einmal zu den Hängen empor, dann werden Sie ja merken, was da oben im Gange ist!«
    Ich machte mich also auf den Weg, geleitet durch die tief im Tann verlorenen Wirbel der Feuerhenne, die zu den Wappentieren der Mauretanier zählt. Bei höchstem Sonnenstand verließ ich den Wald und trat in den heißen, öden Bergkessel ein, dessen Boden ganz von niedrigen Disteln bewachsen war. Sie waren von der stengellosen, wie ein Wetterstern gezackten Art, die man die Eberwurz nennt. Auch Wolfsmilch war spärlich eingemengt. Viele schmale, uralte Pfade zogen sich kreuz und quer durch das Gestrüpp dahin. Sie alle waren durch die blaue Natter versperrt. Als ich die Tiere erblickte, wurde ich sehr vergnügt und dachte: »Da sieht man doch gleich, daß der alte Fuchs auch mit gar zu billigen Mitteln spielt.« Ich schloß das aus dem Umstand, daß ihr Leib zu einem Sperrknoten verschlungen war, dessen Bedeutung nur der übersehen konnte, der in solchen Schlichen noch ein Neuling war. Trotzdem verbarg ich mich hinter einem Busch und lauerte den ganzen Nachmittag, natürlich ohne einen Menschen zu sehen.
    Gegen Abend erschien eine steinalte Frau, die einen kleinen Spatel in den Händen trug. Sie kauerte sich auf der offenen Fläche nieder und riß mit ihrem Gerät ein Rechteck, ungefähr von der Größe einer Tischplatte, in den Grund. Dann trat sie hinein, hob an jeder Ecke einen Stich Erde aus, besprach ihn und

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