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Ein abenteuerliches Herz

Ein abenteuerliches Herz

Titel: Ein abenteuerliches Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Ludwig Arnold
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fortsetzen, und wie in jeder Schicksalslage werden alle Versuche, sie aufzuhalten und in die Ausgangslinie zurückzukehren, sie eher fördern und beschleunigen.
    Man tut daher auch gut, stets das Notwendige im Auge zu behalten, wenn man sich nicht in Illusionen verlieren will. Die Freiheit allerdings ist mit dem Notwendigen gegeben, und erst, wenn sie zu ihm in Relation tritt, stellt sich die neue Verfassung dar. Zeitlich gesehen, bringt jede Veränderung im Notwendigen auch eine Veränderung der Freiheit mit. Daraus erklärt sich, daß die Freiheitsbegriffe von 1789 hinfällig geworden sind und der Gewalt gegenüber nicht durchgreifen. Die Freiheit dagegen ist unsterblich, wenngleich sich immer in die Zeitgewänder einkleidend. Dazu kommt, daß sie stets von neuem erworben werden muß. Ererbte Freiheit muß behauptet werden in den Formen, wie sie die Begegnung mit dem historisch Notwendigen prägt.
    Es muß nun zugegeben werden, daß die Behauptung der Freiheit heute besonders schwierig ist. Der Widerstand erfordert große Opfer; daraus erklärt sich die Überzahl derjenigen, die den Zwang vorziehen. Dennoch kann echte Geschichte nur durch Freie gemacht werden. Geschichte ist die Prägung, die der Freie dem Schicksal gibt. In diesem Sinne freilich kann er stellvertretend wirken; sein Opfer zählt für die anderen mit.
    Wir wollen unterstellen, daß wir die Hemisphäre, auf der sich das Notwendige vollzieht, in ihren Umrissen erforscht hätten. Hier zeichnet sich das Technische, das Typische, das Kollektive ab, bald grandios, bald fürchterlich. Wir nähern uns nun dem anderen Pole, an dem der Einzelne nicht nur leidend, sondern zugleich erkennend und richtend wirkt. Da ändern sich die Aspekte; sie werden geistiger und freier, doch werden auch die Gefahren deutlicher.
    Man hätte indessen mit diesem Teil der Aufgabe nicht beginnen können, denn das Notwendige wird zuerst gesetzt. Es mag als Zwang, als Krankheit, als Chaos, ja selbst als Tod an uns herantreten – in jedem Falle will es als Aufgabe begriffen sein.
    Es kann also nicht darauf ankommen, den Grundriß der Arbeitswelt zu ändern; die große Zerstörung legt ihn eher frei. Es könnten aber andere Paläste darauf errichtet werden als jene Termitenhügel, wie sie die Utopie teils fordert, teils befürchtet; so einfach ist der Plan nicht angelegt. Auch handelt es sich nicht darum, der Zeit den Zoll zu weigern, dessen sie bedarf, denn Pflicht und Freiheit lassen sich vereinigen.
    19
    Ein weiterer Einwand sei erwogen: soll man sich auf die Katastrophe festlegen? Soll man, und sei es auch nur geistig, die äußersten Gewässer aufsuchen, die Katarakte, den Malstromwirbel, die großen Abgründe?
    Das ist ein Einwand, der nicht zu unterschätzen ist. Es hat viel für sich, die sicheren Routen abzustecken, wie die Vernunft sie vorschreibt, mit dem Willen, auf ihnen zu beharren. Dieses Dilemma wird ja auch praktisch, wie bei den Rüstungen. Die Rüstung ist auf den Kriegsfall angelegt, zunächst als Sicherung. Sie führt dann an eine Grenze, an der sie dem Kriege zutreibt und ihn anzuziehen scheint. Es gibt hier einen Grad der Investierung, der auf alle Fälle dem Bankrott entgegenführt. So wären Systeme von Blitzableitern denkbar, die endlich die Gewitter heranführen.
    Das gleiche gilt im Geistigen. Indem man die äußersten Bahnen übersinnt, vernachlässigt man die Fahrwege. Auch hier indessen schließt das eine das andere nicht aus. Vielmehr gebietet die Vernunft, die möglichen Fälle in ihrer Gesamtheit zu überlegen und auf jeden die Antwort bereitzuhalten wie eine Reihe von Schachzügen.
    In unserer Lage sind wir verpflichtet, mit der Katastrophe zu rechnen und mit ihr schlafen zu gehen, damit sie uns nicht zur Nacht überrascht. Nur dadurch werden wir zu einem Vorrat an Sicherheit gelangen, der das vernunftgemäße Handeln möglich macht. Bei voller Sicherheit spielt der Gedanke nur mit der Katastrophe; er bezieht sie als unwahrscheinliche Größe in seine Pläne ein und deckt sich durch geringe Versicherungen ab. In unseren Tagen ist das umgekehrt. Wir müssen beinahe das ganze Kapital an die Katastrophe wenden – um gerade dadurch den Mittelweg offen zu halten, der messerschmal geworden ist.
    Die Kenntnis des mittleren Weges, den die Vernunft gebietet, bleibt unentbehrlich; sie gleicht der Kompaßnadel, die jede Bewegung und selbst die Abweichung bestimmt. Nur so wird man zu Normen kommen, die alle anerkennen, ohne daß Gewalt sie zwingt. So werden

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