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Ein allzu schönes Mädchen

Titel: Ein allzu schönes Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Seghers
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nahe gelegenen
     Rhein-Main-Flughafens als Wohnort beliebt war. Das Städtchen hielt sich etwas zugute auf die hohe Dichte von Betrieben des
     Gaststättengewerbes, unter denen der «Lindenhof» mit Abstand der nobelste war. Wegen seines Komforts, des exquisiten Essens
     und der günstigen Verbindung zum Flughafen wurde das Hotel nicht nur von internationalen Stars aus dem Musik- und Showgeschäft
     immer wieder gerne besucht, seit Jahren fanden hier auch Konferenzen hochrangiger Politiker, Militärs und Wirtschaftsleute
     statt. In den Tagen vor einem solchen Ereignis glich das Haus einem Bienenstock. Doch gemessen an der Atmosphäre, die seit
     einer Woche hier herrschte, seit nämlich feststand, dass der amerikanische Präsident im «Lindenhof» absteigen und sich hier
     mit dem deutschen Bundeskanzler treffen würde, hätte man wohl selbst einen Bienenstock als Hort der Ruhe bezeichnen müssen.
    Keine Kellnerin, kein Zimmermädchen, kein Lieferant, kein Handwerker, die nicht verpflichtet worden waren, ihren Personalausweis
     jederzeit bei sich zu tragen. Überall schwirrten Polizisten und Sicherheitsleute herum, kontrollierten die Zimmer, drehten
     in der Küche jeden Topf um, in der Wäscherei jedes Laken, schauten in alle Schränke, wühlten in den Tiefkühltruhen, tasteten
     jeden ab, der das Hotel betrat, durchsuchten die Koffer der Gäste, nahmen Lampenschirme, Vorhänge |53| und selbst die Deckel der Spülkästen in den Toiletten ab. Sprengstoffspezialisten suchten nach Bomben, Abhörspezialisten nach
     Wanzen, und mehrmals war es schon vorgekommen, dass die Angehörigen der verschiedenen Dienste einander gegenseitig kontrollierten.
    Hegemann gähnte. Er ging in den gekachelten Waschraum für das Personal, zog den Anzug aus, hängte ihn in seinen Spind, stopfte
     das weiße Oberhemd in eine Plastiktüte, erfrischte Gesicht und Oberkörper mit ein wenig kaltem Wasser, zog Jeans und T-Shirt an und freute sich darauf, dieses Irrenhaus so rasch wie möglich zu verlassen, nach Hause zu fahren und endlich in sein Bett
     zu sinken. Er lief durch den langen Gang, der rechts und links von den Wirtschaftsräumen gesäumt wurde, stempelte seine Arbeitskarte
     und verließ das Haus durch den Hinterausgang, wo er noch einmal von zwei Security-Leuten kontrolliert wurde. Fast schon im
     Halbschlaf schloss er sein Fahrrad auf – das letzte Geschenk, das er von seinem Vater erhalten hatte – und machte sich auf
     den Heimweg.
    Wie jeden Morgen und jeden Abend in den letzten beiden Monaten nahm er die Strecke durch den Frankfurter Stadtwald. So umfuhr
     er den Berufsverkehr auf der Bundesstraße und musste kaum etwas von dieser Stadt sehen, in der er bis heute nicht heimisch
     geworden war.
    Obwohl es aufgehört hatte zu regnen, war der Himmel noch bedeckt, und durch das dichte Laubwerk der Baumkronen drang noch
     kaum etwas von dem schwachen Tageslicht, trotzdem sah Hegemann überall auf dem Boden die dicken Waldschnecken kriechen. Die
     Wege waren von den nächtlichen Güssen aufgeweicht, und er musste aufpassen, dass er nicht über einen der Äste fuhr, die nun
     überall herumlagen. Ein Pärchen Eichelhäher flog schreiend davon, und kurz darauf kreuzte eine Wildsau mit ihren Jungen seinen
     Weg. Sonst |54| begegnete ihm niemand. Etwa in der Mitte der Kesselbruchschneise, kurz hinter dem Vogelschutzgehölz, wo der lange Waldweg
     die Babenhäuser Landstraße überbrückte, musste er anhalten und ein Holzgatter öffnen, um seinen Weg fortsetzen zu können.
     Gerade hatte sich das Tor wieder hinter ihm geschlossen, als Hegemann stutzte.
    Links von sich, nur ein paar Meter weit zwischen den Bäumen, hatte er im Unterholz eine merkwürdige Erhebung entdeckt.
    Zunächst war es nur eine winzige Irritation im Augenwinkel gewesen, und er wäre fast weitergefahren, dann drehte er den Kopf
     und schaute genauer hin.
    Aber noch immer konnte er nichts erkennen.
    Nur einen großen, länglichen Haufen aus Laub und Zweigen, der dort nicht hinzugehören schien und den er gestern Abend, als
     er dieselbe Strecke in umgekehrter Richtung gefahren war, dort auch nicht bemerkt hatte.
    Hegemann stieg von seinem Rad, lehnte es an einen Baumstamm und ging ein paar Schritte näher an den Haufen heran.
    Plötzlich erschrak er.
    Er hörte, wie nicht weit von ihm der Motor eines Autos gestartet wurde. Er lief zurück in die Richtung, aus der das Geräusch
     gekommen war, und sah gerade noch, wie sich hinter dem Gatter ein weißes Auto auf der

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