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Ein Alptraum für Dollar

Ein Alptraum für Dollar

Titel: Ein Alptraum für Dollar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Bellemare
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Jahre und acht Monate lang geht alles seinen Gang. Lange Jahre, in denen Domenico keine Ahnung hat, daß er verkauft bzw. gekauft worden ist. Und er spielt auch immer mit den Nachbarskindern und weiß nicht, daß es seine Geschwister sind.
     
    Jedoch — acht Jahre und acht Monate nach diesem unglaublichen Handel stirbt Vater Noviello, und seine Frau kann die Monatsraten nicht mehr zahlen. Sechzehn stehen noch aus — 16000 Lire — 110,-DM.
    Signora Marzano bleibt allerdings beharrlich bei ihrer Forderung — Vertrag ist Vertrag! Erst droht sie, dann schreit sie!
    Signora Noviello bleibt keine andere Wahl, als genau das zu tun, was sie unbedingt vermeiden wollte: Sie erklärt dem kleinen Jungen die ganze Geschichte:
    »Domenico... mio bambino... ich bin nicht deine wirkliche Mutter. Als du ein Baby warst, habe ich dich den Marzanos abgekauft. Wir konnten dich nicht adoptieren... weißt du... wir waren zu arm. Na ja, du hättest es sowieso bald erfahren müssen... Jetzt bist du bald neun Jahre alt... ich muß noch sechzehn Monate lang für dich zahlen, aber ich weiß nicht, wie...? Woher soll ich das Geld nehmen, um die letzten Raten an deine Mutter zu zahlen? Ich habe Angst, dich zu verlieren, Domenico. Denn deine Mutter verlangt... entweder das Geld... oder dich!«
    Und genau diese unglaubliche Geschichte erzählt der kleine italienische Dieb den sprachlosen Carabinieri in einem neapolitanischen Polizeirevier an einem Dezembertag 1958:
    »Deswegen stehle ich... ein wenig... nur ab und zu... erst seit drei Monaten. Meine Mamma kann doch nicht mehr für mich zahlen... ich muß das Geld besorgen für meine Mutter!«
    Ja, deshalb ist er ertappt worden, als er die Zierleisten eines prunkvollen amerikanischen Wagens abmontierte. Ein 9jähriger Junge begann zu stehlen, weil er an Stelle der Mutter, die ihn gekauft hatte, deren Schulden an die Mutter bezahlen wollte, die ihn verkauft hatte. Domenico verurteilte weder die eine noch die andere Mutter. Er glaubte nur, er müsse jetzt die Sache in Ordnung bringen und die letzten Raten zahlen, damit es keinen Skandal gäbe.
    Doch den Skandal hat es trotzdem gegeben, mit Berichten in allen Zeitungen und einer gerichtlichen Untersuchung.
    Signora Marzano wurde nach italienischem Gesetz für schuldig befunden, »ihr Kind ausgesetzt und ihm die moralische Unterstützung verweigert zu haben«. Dafür hätte sie ein bis fünf Jahre ins Gefängnis kommen können, aber die öffentliche Meinung, voller Mitgefühl, übte Druck aus und konnte es verhindern. Signora Noviello bekam die Erlaubnis, Domenico zu adoptieren. Was darauf hinausläuft, daß Justitia in diesem Fall beide Augen zudrückte.
    Heute ist Domenico Noviello bald vierzig Jahre alt und lebt wahrscheinlich irgendwo im Gewimmel von Neapel. Doch eines hat er früh erfahren und bestimmt niemals vergessen: Was er schon in jungen Jahren wert war.
     

Zwei Wochen Schluckauf
     
    Unwillkürliches, krampfhaftes Einatmen durch ruckartiges Zusammenziehen des Zwerchfells«. Was ist das? Ganz einfach: Schluckauf.
    Also nichts Schlimmes. Keine Krankheit — nur eine unangenehme, zuweilen auch nervtötende Heimsuchung.
    Der Schluckauf ist hinterlistig: Ohne ersichtlichen Grund greift er völlig unerwartet sein wehrloses Opfer an. Kennen Sie dieses Gefühl? Man wartet verkrampft auf den nächsten »Huck!«. Mit zugeschnürter Kehle wagt man nicht einmal, kurz dazwischen zu atmen, man trinkt hastig etwas Wasser und hofft, damit den Quälgeist hinunterzuspülen, doch man verschluckt sich dabei nur und ringt hustend nach Luft. Und dann, voller Erwartung, zählt man die Sekunden »... zwölf... dreizehn... geschafft! Endlich, es ist vorbei...«, aber just in diesem Augenblick der erhofften Erlösung... »Huck!« — da ist er wieder! Und man sieht ihn geradezu, wie er da steht und einen auslacht, dieser Teufel!
    Das einzig Sympathische an diesem lästigen und lächerlichen Zucken ist seine Kurzlebigkeit: ein flüchtiger Gast, der sich bereits nach fünf, zehn, zwanzig Minuten genauso blitzartig verabschiedet, wie er unvermittelt hereinplatzte. Nur in den schlimmsten Fällen hält er es länger als eine Stunde aus. Und er tut gut daran, denn viel länger kann ihn niemand ertragen, ohne ganz und gar die Nerven zu verlieren.
    Aber, wie schon gesagt, Schluckauf ist keine Krankheit.
    Und wer auch immer davon befallen wird, darf nicht auf die mitfühlende Anteilnahme seiner Umwelt rechnen. Der arme Schlucker erregt bestenfalls allgemeine

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