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Ein Alptraum für Dollar

Ein Alptraum für Dollar

Titel: Ein Alptraum für Dollar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Bellemare
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der Teufel hinter ihnen her!
    »Da hast du’s High Jolly! Selbst die Indianer können deine Kamele nicht riechen!«
    Es half nichts. Und will man das vollständige Fiasko der Mission des geplagten Hadschi beschreiben, so braucht man nur den Brief von Ben Schneider an den amerikanischen Kongreß zu zitieren. Der Offizier der Kavallerie schreibt nämlich:
    »Diese Tiere sehen aus wie aufgeblasene Erdgeister und machen einen völlig stupiden Eindruck! Und dieses Grunzen, dieses ständige Rülpsen, diese Schaukelei! Und dazu der unerträgliche Gestank, den sie meilenweit um sich verbreiten! Diese mit Hautfetzen verklebten Haare, diese gelben Zähne, dick wie Tonziegel! Reitet man auf so einem Vieh, dann treten einem schon nach einer Meile die Augen aus dem Kopf, man wird ja unentwegt vor- und zurückgeschleudert! Unerträglich!« Zum großen Kummer von Hadschi Ali wurde das Experiment bald aufgegeben. Im Grunde seines Herzens hielt er diese Amerikaner für Wilde! Vor allem, als sie die meisten Kamele mit ihren Winchesters einfach abknallten. Einige Tiere entkamen dem Massaker und flohen gekränkt und hoch erhobenen Hauptes in die Wüste.
    Die 75 Kameltreiber wurden wieder nach Ägypten eingeschifft, nur Hadschi Ali blieb. So schnell wollte er nicht aufgeben. Er wußte, daß einige Kamele ziellos durch die Wüste von Arizona irrten und hoffte, eines der verscheuchten Tiere wieder einzufangen. Irgendwann. Dann würde er mit dem noblen Tier diesen bornierten Amerikanern zeigen, was ein Araber auf einem Kamel alles zustande bringt — auch ganz allein im Wilden Westen!
    Gut. Aber bis dahin mußte er sich nach einem Job umsehen, denn nun bekam er keinen Cent mehr von der Armee. Er hatte zwar nie gelernt, mit Pferden umzugehen, aber für einen Kameltreiber dürfte es ein Kinderspiel sein, mit diesen Vierbeinern klarzukommen. Und in der Tat, nach kurzer Zeit wurde Hadschi Ali der tüchtigste Stallknecht der kleinen Pionierstadt, wo er von nun an lebte. Glanz und Elend: Einst Kameltreiber — heute Stallknecht! Aber wenn schon! Er trug weiterhin Dschellaba, Turban und Babuschen, mochten die anderen darüber so viel witzeln, wie sie wollten!
    Und fünfmal am Tag betete er hinter dem Saloon in Richtung Mekka zu Allah — und wartete auf seine Stunde. Nun ist sie gekommen, die Stunde von Hadschi Ali, alias »High Jolly«.
    An einem Abend, gegen 18 Uhr, als der schon erwähnte verschreckte Goldsucher wild angeritten kommt und brüllt:
    »Dort unten! Im Canyon! Ein Ungeheuer!«
    Für Ali gibt es gar keinen Zweifel. Das Ungeheuer im Canyon ist eines der überlebenden Kamele. Und der Mann, der jetzt wie von der Tarantel gestochen im Saloon tobt und herumschreit, hat eben noch nie in seinem Leben so ein Tier gesehen!
    Allah sei Dank — es ist schon 6 Uhr abends. Da werden die Pioniere nicht sofort aufbrechen, um das angebliche Monster zur Strecke zu bringen. Erst morgen früh werden sie schwerbewaffnet losreiten. Also hat er noch Zeit. Dennoch muß er schnell handeln. Mitten im Gebet springt er auf und ist mit einem Satz im Stall, schwingt sich auf ein Pferd und braust ab zum Canyon, die Schlappschuhe fest im Steigbügel! Als er in der felsigen Schlucht ankommt, ist es fast schon dunkel. Jetzt reitet er ganz langsam, geräuschlos und schaut vorsichtig um die Felsblöcke herum. Plötzlich scheut das Pferd, bäumt sich auf, wiehert mit spitz aufgestellten Ohren — und Hadschi Ali sitzt am Boden. Das Pferd flieht davon im wilden Galopp. Aber dieser dämliche Cowboyesel kann ruhig das Weite suchen! Ali braucht ihn nicht mehr und lacht ihn sogar aus. Denn da steht es in der Abenddämmerung: sein Kamel, eines der 75, die zur Verstärkung der amerikanischen Kavallerie nach den Vereinigten Staaten emigrieren mußten! Ja, dort steht es im Halbdunkel und frißt gelassen einen kümmerlichen Kaktus ab. Das arme Tier ist in einem traurigen Zustand — bis auf die Knochen abgemagert und über und über voller Wunden. Zwei riesige Ledersäcke hängen noch an den Flanken. Bestimmt hat es sich für irgendwelche Goldsucher abrackern müssen. Und es ist schlecht behandelt und sogar geschlagen worden! Kein Wunder, daß es geflohen ist. Ein Wunder aber, daß es noch lebt. Obwohl Hadschi Ali sich nach dem jähen Sturz vom Pferd bestimmt nicht wohler fühlt als sein gepeinigtes Kamel, kniet er gen Osten und schickt ein Dankgebet empor zum Herrn der Gläubigen. Dann redet er mit dem Kamel, und zwar so, wie man mit einem Kamel reden muß: mit Autorität und

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