Ein Alptraum für Dollar
seit mindestens einer Woche nichts getrunken! Seht doch die vielen schweren Steine!«
Das ist ein Argument, und die Menge beruhigt sich etwas. Ein Mann zieht sogar interessiert die Brauen hoch und geht entschlossenen Schrittes zum Kamel. Er nimmt einen Stein und verschwindet wortlos damit in sein Büro. Jetzt sind alle still — alle! Denn der Mann ist nicht irgendwer, sondern Samuel Bent, der Geologe der Goldsuchergemeinde. Und wenn ein Stein seine Aufmerksamkeit erweckt, dann wissen alle, was das zu bedeuten hat. Alle — außer High Jolly natürlich! So gut er sich auch im Wilden Westen eingelebt hat, ist er mit den Sitten und Gesetzen der Goldgräber nicht vertraut. Ja, er weiß nicht einmal, was eine Goldader ist, und auch nicht, daß man den Fundort sofort offiziell registrieren lassen muß, wenn man eine entdeckt hat. Er weiß nicht, daß er schon längst eine Goldsucherlizenz besitzen müßte für den Fall der Fälle. Alle hier haben so einen Wisch in der Tasche, selbst der Pfarrer und der Barkeeper. Denn stolpert einer zufällig über einen goldhaltigen Quarzstein — dann ist er sofort der stolze und auch reiche Besitzer der neuen Goldader!
Nach zehn Minuten kommt Samuel Bent endlich wieder aus seiner Werkstatt — mit einem Hammer in einer Hand und dem auseinandergeschlagenen Stein in der anderen. Er geht direkt zum Kamelführer:
»Wo hast du das gefunden?«
Hadschi Ali ahnt nicht einmal, worum es geht, er hat keine Ahnung, daß er jetzt schon der reichste Mann der Gegend wäre, würde er seinen Mund halten. Aber so antwortet er ganz brav und naiv:
»Unten im Canyon habe ich die Steine gefunden und die Ledersäcke damit vollgefüllt. Um euch zu beweisen, wie stark mein Kamel ist!«
Da bricht der Sturm los. Diese Steine — das ist goldhaltiger Quarz, und die Goldader gehört dem, der als erster im Canyon ankommt! Im nächsten Augenblick steht Hadschi Ali allein und von allen verlassen mit seinem Kamel vor dem Saloon — ausgetrickst!
In sechs Jahren brachte das »Goldlager des Kamels« — so wurde es genannt — der kleinen, bisher ärmlichen Goldschürfergemeinde 14 Millionen Dollar! Aber niemand dachte daran, High Jolly auch nur einen einzigen Dollar abzugeben.
Natürlich bekam er Geld. Und zwar dafür, daß er das goldhaltige Quarz mit seinem Kamel transportierte! Das war es doch schließlich, was er hatte beweisen wollen? Daß ein Kamel stärker ist als vier Pferde zusammen! Da hat er doch seine Mission erfüllt! Er kann sich also glücklich schätzen, und Allah kann mit ihm zufrieden sein!
Es ist schwer zu glauben — aber Hadschi Ali war auch wunschlos glücklich — bis ans Ende seiner Tage. Er kehrte nie nach Ägypten zurück. Wüste hin — Wüste her — er war wieder Kameltreiber. Und auch im Wilden Westen geht die Sonne im Osten auf.
Nach seinem Tode ließ die dankbare Gemeinde eine Pyramide aus goldhaltigen Quarzsteinen über seinem Grab errichten — mit einer Kamelstatue obendrauf :
Man kann sie heute noch sehen! Und verirrt sich irgendein Tourist in diesen verschlagenen Winkel des ehemaligen Wilden Westens, dann photographiert er diese seltsame Gedenkstätte — nichtsahnend.
Der schwarze Zorn
Louis-Joseph Barrow ist Verlader in einer Detroiter Fabrik — in einem Automobilwerk also, denn in Detroit gibt es praktisch nichts anderes. Gewiß, die Arbeit ist sehr hart, doch Louis-Joseph beklagt sich nicht. Erstens, weil er von Natur aus ein gutmütiger Kerl ist und zweitens, weil die Zeiten für jedermann schwer sind. 1932 hat die große Wirtschaftskrise die Vereinigten Staaten mit voller Wucht getroffen, und es ist nicht leicht, Arbeit zu finden — schon gar nicht, wenn man schwarz ist! Louis-Joseph ist 17 Jahre alt. Bei den Kollegen in der Fabrik ist er sehr beliebt. Alle bewundern ihn auch, denn er ist stark wie ein Herkules: 100 Kilo reine Muskeln! Zehn Stunden am Tag lädt er von den Lastkraftwagen die Eisenbleche ab. Die Vorarbeiter schonen ihn nicht! Er kriegt immer die schwersten Ladungen, aber es macht ihm nichts aus. Ohne Anstrengung nimmt er die gewaltige Last auf seine Schulter und geht pfeifend davon. Seitdem er hier arbeitet, hat er bestimmt doppelt soviel geschleppt wie die anderen, aber keinen Cent mehr verdient als die anderen! Das ist klar!
Wenn einer wirklich stolz auf Louis-Joseph ist, so ist es der alte Barrow — sein Vater. Auch er arbeitet in dieser Fabrik — seit 40 Jahren schon —, und noch nie hat er einen so stämmigen Burschen gesehen wie
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