Ein Alptraum für Dollar
Wetter. Ganz bestimmt.«
»Sie... Werden Sie mich jetzt rausschmeißen?«
»Nein. Das wäre nicht der geeignete Augenblick.« Leutnant Hancock geht zum Fenster und schaut auf die Stadt hinunter:
»Sehen Sie, Adams, ganz Tampa schmort in demselben Topf! Gerade jetzt können überall völlig normale Menschen, so wie Sie eben, verrückt spielen. Wir müssen auf alles gefaßt sein und vor allem... ja, die Nerven behalten, Sergeant! Da draußen kann jeden Moment die Hölle los sein.«
Der Polizeichef hat leider recht.
Acht Uhr abends. Mit Einbruch der Nacht ist die Temperatur nicht um einen einzigen Grad gesunken. Aber seit die Sonne hinter dem Horizont verschwunden ist, dampft die üppige Vegetation weniger als vorhin unter den brennenden Sonnenstrahlen. Der Himmel ist klarer, die Luft trockener, aber nicht kühler.
Alle hatten auf ein abendliches Gewitter gehofft, das die Atmosphäre gereinigt hätte — aber die wenigen schwachen Wolken haben sich im Kampf mit der Sonne in der Dämmerung verflüchtigt.
Der hübsche Bungalow von John und Marjorie Clemens liegt am Rande der Stadt in einem exklusiven Wohnviertel, dort, wo normalerweise eine leichte Brise von der See immer für Erfrischung sorgt. Mister Clemens hielt es also nicht für notwendig, eine teure Klimaanlage einbauen zu lassen. Heute abend allerdings bereut er es zum ersten Mal, denn die Hitze »klebt« überall. Alle Türen und Fenster stehen weit offen, aber es ist, als ob es überhaupt keine Luft mehr gäbe.
Die Clemens — ein pensioniertes Ehepaar —, ruhig und ohne Probleme — haben an diesem Abend zwei Gäste zum Essen eingeladen: Mrs. Anna Simpson und ihren Sohn Ronald. Das heißt, Mrs. Simpson kann man eigentlich nicht als Gast bezeichnen. Sie ißt jeden Abend mit den Clemens’ — und sie wohnt auch schon seit zwei Jahren im Haus. Im Laufe der Zeit entwickelte sich eine Art freundschaftliches Verhältnis zwischen den drei älteren Menschen. Und wenn Ronald — ein 4ojähriger Zahnarzt — seine Mutter besucht, so ist es selbstverständlich geworden, daß er auch am Abend zum Essen bleibt. Alle verstehen sich prächtig miteinander, nie gab es die kleinste Verstimmung.
Heute abend jedoch ist es heiß. Sehr heiß. Und Mrs. Clemens verträgt keine Hitze.
Der Vorfall ereignet sich Knall und Fall nach dem Kalbsbraten. Marjorie Clemens haut mit ihrer Gabel auf den Teller und beginnt mit schriller Stimme die verdutzte Untermieterin anzubrüllen:
»Sie sehen lächerlich aus! Nehmen Sie sofort diese blöden Dinger ab!«
Völlig verschreckt flüstert Mrs. Simpson:
»Wie bitte?«
»Ja, diese scheußlichen Ohrringe! Es sieht ja fürchterlich aus! Lächerlich! Schämen Sie sich denn nicht, in Ihrem Alter so etwas zu tragen?!«
»Aber Marjorie, was ist los mit Ihnen?«
»Was mit mir los ist? Ich kann Ihren Anblick einfach nicht mehr ertragen! Sie sehen grotesk aus! Ich wollte es Ihnen schon seit Monaten sagen, jetzt wissen Sie’s! Und dieses Kleid? Schauen Sie sich doch mal richtig im Spiegel an! Sie sehen aus wie eine Vogelscheuche!«
Die beiden Männer, die bis jetzt ganz verdattert und stumm dasaßen, greifen nun ein:
»Marjorie, ich bitte dich.«
»Mrs. Clemens, hören Sie!«
Aber Mrs. Clemens will gar nichts hören! Sie steht auf und stürzt sich auf Anna Simpson:
»Ich halte es nicht mehr aus! Ich könnte Sie...«
Jetzt ist auch die sonst immer ruhige Untermieterin aufgestanden — zum Kampf bereit:
»Sie könnten... was?«
»Ich... ich könnte Ihnen den Hals umdrehen!«
»Dann tun Sie’s doch! Ich habe immer schon gewußt, daß Sie eine bösartige, alte Hexe sind! Schauen Sie sich doch selber im Spiegel an, mit... mit diesen protzigen Ketten und Ringen... und erst diese Schmetterlingsbrille! Sie... Sie... ausgestopfte Nachteule!«
Daraufhin schreitet Mrs. Simpson hoch erhobenen Hauptes durchs Wohnzimmer, geht hinauf in ihr Zimmer und knallt die Tür zu.
Unten kläfft Marjorie weiter:
»Eine alte Hexe! Hast du das gehört, John? Sie hat mich >alte Hexe< genannt! >Ausgestopfte Nachteule Dr. Simpson eilt die Treppe hinauf zu seiner Mutter. Die alte Frau ist völlig am Boden zerstört:
»Ronald... was soll ich tun? Sie ist ja verrückt!«
»Komm Mutter, beruhige dich doch. Sie hat die Nerven verloren. Diese Hitze macht uns allen zu schaffen... Sie hat es nicht so gemeint!«
»O doch! Sie hat ganz genau gewußt, was sie sagte!«
»Aber nein... Was glaubst du, was ich alles in der Praxis heute erlebt
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