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Ein Alptraum für Dollar

Ein Alptraum für Dollar

Titel: Ein Alptraum für Dollar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Bellemare
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Ozean. Dann Funkstille. Tage und Wochen verstreichen ohne das kleinste Lebenszeichen des englischen Weltumseglers. Elf Wochen lang keine Nachricht. Auch kein Notruf. Seltsam, denn elf Wochen lang wurde der »Electron« auch nirgends gesichtet. Aber ein Weltumsegler, der sich fast drei Monate lang nicht meldet, nun, das ist zwar seltsam, aber auch nicht so ungewöhnlich. Der Bekanntenkreis von Richard macht sich nicht allzuviel Sorgen um ihn. Mit Recht, denn am 29. März taucht der Segler wieder auf! Er funkt eine Nachricht an die BBC: »Habe Kap Hoorn hinter mir. Stop. Es geht mir gut. Stop.«
    Jetzt sind alle beruhigt. Richard geht es gut!
    Ja, jedenfalls im Bordbuch Nr. 1, in dem er seine phantastische große Fahrt erzählt — da geht es ihm gut.
    Er hat die Kokos-Inseln gesehen, Tahiti und die Marquesas-Inseln. Er beschreibt die exotischen Vögel, die um den »Electron« herumfliegen. Er sagt: Der Trimaran reitet auf den Wellen, fliegt über das Meer! Er schreibt: Ich träume... ich träume... Der Passat treibt mich mit 6 Knoten. Die Sonne brennt! Er schreibt: Gerade ist eine Insel vor mir aufgetaucht, sie schwimmt auf dem grünen Meer wie eine riesige weiße Muschel... Ich nehme Kurs auf Süden.
     
    Doch auf dem »Electron« gibt es auch das Bordbuch Nr. 2. Es beginnt am 30. Januar. 12 Uhr: Ich habe schon immer gewußt, daß dieses Schiff nichts taugt. Es ist widerspenstig und aufgetakelt! Seit zwei Monaten entdecke ich jeden Tag einen neuen Fehler. Dieser Kahn ist es nicht wert, um die Welt zu segeln. Er schafft es auch nie! Er taugt nicht einmal zur Küstenschiffahrt.
    10. März: Ich fahre hinunter zu den Falkland-Inseln.
    12. März: Diese elende Nußschale muß geflickt werden! Ich muß einen Hafen anlaufen.
    29. März: Auf Trockendock in Panama.
     
    29. März? An dem Tag funkte doch Richard an den BBC: »Ich habe gerade Kap Hoorn hinter mir. Es geht mir gut«...!
    Was ist los? Was ist geschehen?
    Was geschehen ist, steht im Bordbuch Nr. 3. Darin hat Richard seine Ängste und Enttäuschungen niedergelegt. Seine Hoffnungen und seinen Wahnsinn.
    Er hat dieser einsame Weltumsegler sein wollen. Er hatte es so unbedingt gewollt, daß er sich die Frage niemals gestellt hatte, ob er überhaupt dazu fähig sei. Und er ist losgesegelt, wie alle anderen es vor ihm taten — voller Enthusiasmus und siegesbewußt. Schon beim Start sah er sich wie ein Eroberer zurückkehren: mager, bärtig, von südlicher Sonne schwarzgebräunt und trunken von Gischt!
    Doch schon nach wenigen Meilen auf dem Atlantik packte ihn die Angst. Angst um sein Schiff, aber vor allem Angst um sich selbst.
    Am Anfang hat er mit dem Gedanken gespielt, umzukehren und diese Angst zuzugeben, sie vor allen zu bekennen, denen er hochgemut geschworen hatte, als Held zurückzukommen:
    »Ich bin nur ein Angsthase, ein Menschenwurm, der wasserscheu ist! Ich fürchte mich vor dem Ozean, vor der Einsamkeit... Niemals werde ich den Pazifik schaffen!« Ein paar Seiten weiter im Tagebuch Nr. 3 wagt er nicht mehr von Umkehr zu reden, und er beginnt Funksprüche auszusenden, die mit ihm und der Wirklichkeit nichts mehr zu tun haben.
    Der begeisterte Segler im Indischen Ozean, der fliegende Fische fängt — das ist nicht Richard. Das ist derjenige, der er hätte sein wollen. Der einsame, glückliche Matrose, der Inseln auftauchen sieht wie riesige weiße Muscheln, das ist ein anderer. Und das »Kap Hoorn« ist nur ein Traum gewesen.
    Richard hat nichts von alledem erlebt, nichts zustande gebracht.
    243 Tage lang segelt er im Atlantik im Kreis herum. Kurs auf Osten, Kurs auf Westen... Kurs auf Wahnsinn.
    Aller Welt macht er vor, die Erdkugel zu umsegeln, dabei dreht er sich im Kreis wie ein Korken im Waschbecken. Bordbuch Nr. 3. Er schreibt: »Gott sieht mich an... ich bin nur das Spielzeug eines kosmischen Willens, nichts weiter. Ich bin nichts mehr.«
    Im Bordbuch Nr. 1 dagegen läuft alles gut, und die Weltumseglung nähert sich ihrem Ende.
     
    Am 24. Juni 1969 empfängt Richard einen Funkspruch von den Organisatoren seiner großen Fahrt: »Vorgesehener Treffpunkt bei den Scilly-Inseln. Stop. BBC wünscht Interview. Stop. Verleger interessiert an Exklusivbericht. Stop. Triumphaler Empfang vorbereitet. Stop.« Richard antwortet: »Werde später berichten. Stop. Will jetzt niemanden sehen. Stop.«
    Aber er weiß, daß man ihn erwartet. Er weiß: Der Traum ist aus. Entweder muß er Rechenschaft ablegen, oder weiterlügen. Kann man eine Weltumsegelung erlügen, die

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