Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Alptraum für Dollar

Ein Alptraum für Dollar

Titel: Ein Alptraum für Dollar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Bellemare
Vom Netzwerk:
Ich... ein Dinosaurier?« Und die Tür der Kanzlei knallt zu.
     
    Australien liegt weit weg. Vor fünfzehn Jahren hat Elise Resnay eine Landkarte dieser riesigen, geheimnisvollen Insel aus einem alten Buch herausgeschnitten und sie in einer Ecke ihrer kleinen Bauernküche an die Wand gepinnt — neben die Kupferkasserollen und Knoblauchzöpfe. Oft — wenn der Bauer nicht da ist — schaut sie dieses ferne Land auf dem vergilbten Stück Papier an, gelb wie der Sand der Wüste, wo ihr Sohn für immer verschwunden ist. Der Bauer hat nie einen Blick drauf geworfen. Er tut so, als wär’s gar nicht da. Australien gibt es nicht. Edmond ist nicht mehr sein Sohn. Seit fünfzehn Jahren nicht mehr.
    Elise nimmt ihren ganzen Mut zusammen, zieht sogar feierlich ihre Schürze aus und sagt entschlossen:
    »Alfred, wir müssen miteinander reden.«
    »Nein. Es gibt nichts zu bereden.«
    »Alfred, wir müssen Edmond schreiben!«
    »Kenn ich nicht!«
    »Ich hab ihn doch enterbt, also, was soll’s?«
    »Wenn er wüßte, was hier los ist, würde er uns helfen!«
    »Und woher weißt du das so genau? Er pfeift doch auf das Land seiner Ahnen, auf seine Eltern! Sonst wäre er ja nicht abgehauen!«
    »Das ist nicht wahr! Ich weiß es besser als du!«
    »Elise! Hast du ihm etwa geschrieben? Ich habe es dir verboten! Hast du mich auch verraten!?«
    »Ja, ja! Ich... wie konntest du verlangen, daß eine Mutter ihr Kind vergißt!«
    »Ich war der Vater, und ich habe ihn auch vergessen können!«
    »Ich nicht! Ja, ich hab dich belogen, verraten... was weiß ich! Das ist mir jetzt ganz egal! Außerdem, tu nicht so! Du weißt ganz genau, daß der Briefträger mir seine Briefe immer heimlich gibt! Ja, du weißt sogar, wo sie versteckt sind! Ich bin sicher, du hast sie alle gelesen!«
    »Niemals!«
    »Meinetwegen. Trotzdem mußt du es jetzt erfahren: Edmond hat dem Notar geschrieben. Er will die Hypotheken übernehmen.«
    »Niemals!«
    »Ob es dir paßt oder nicht, dein Sohn hat seinen Weg gemacht! Ohne dich! Dort in Australien ist er ein reicher Bauer geworden, und er will nicht, daß unser Land jetzt verkauft wird!«
    »Niemals, hörst du, niemals! Ich brauch sein dreckiges Geld nicht! Hier hätte er reich werden sollen und nicht dort, bei den Wilden!«
    »Du bist ein alter Dickschädel!«
    »Ich hab meinen Stolz!«
    »Wie schön! Den kannst du dann dem Gerichtsvollzieher als Trinkgeld geben!«
    »Ich allein entscheide, was hier passiert. Niemand sonst! Weder der Gerichtsvollzieher noch dein Sohn!«
    »Es ist ja alles schon längst entschieden, begreif das doch endlich!«
    »Das werden wir sehen! Mein Urgroßvater, mein Großvater, mein Vater und ich... wir haben uns alle auf diesem Stück Land abgerackert! Diese Erde gehört nur dem, der sie liebt, also nur mir! Und weder der Kuckucksmann noch dein Australier werden sie jemals betreten!«
    »Alfred... was machst du denn?«
    »Ich mach dir ganz weit die Tür auf! Hau ab! Lauf zu deinem Sohn, zu dem Notar, den Gendarmen und dem Trockenfuttermacher! Hau ab!«
    »Alfred... du... du bist verrückt!«
    »Genau! Ganz genau! Ich bin verrückt... nun lauf schnell und sag’s allen! Der Bauer ist verrückt geworden! Und noch etwas! Vergiß nicht zu sagen, daß sie mich abknallen müssen, bevor sie mir mein Land wegnehmen. Nur über meine Leiche!«
     
    Alfred Resnay hat also seine Frau hinausgeworfen, die Telefonschnur aus der Wand herausgerissen, die Fensterläden zugesperrt und sich mit seinem Gewehr im Haus verschanzt. Der alte Bauer ist tatsächlich wahnsinnig geworden.
    Elise ist ins Dorf geflüchtet, der Notar hat die Gendarmen alarmiert. Die Zwangsversteigerung soll in zehn Tagen stattfinden. Das Drama ist perfekt.
    Allein der Rauch, der aus dem Kamin steigt, verrät, daß der Bauer im Haus ist — und auch lebt. Der Hund jault vor der Tür, die Hühner gackern um das Anwesen herum — sonst passiert tagelang überhaupt nichts. Die neugierigen Nachbarn beobachten in respektvoller Entfernung die
    Lage, diesen Belagerungszustand. Und am anderen Ende der Welt küßt ein junger Mann seine Frau und seine drei Kinder bevor er sich ins Flugzeug stürzt:
    »Wenn ich nicht hinfliege, ist er imstande, das ganze Haus in die Luft zu sprengen! Damals, als ich gegangen bin, hat er alle Möbelstücke aus meinem Zimmer in den Hof geschleppt. Er hat alle meine Sachen und sogar meine Stiefel auf einen Haufen geworfen und alles verbrannt! Also nichts wie hin, ich melde mich so bald ich kann!«
    Am 2. Juli 1967

Weitere Kostenlose Bücher