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Ein Alptraum für Dollar

Ein Alptraum für Dollar

Titel: Ein Alptraum für Dollar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Bellemare
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nächsten Tag werden die ersten Streiks gemeldet. Hunderte, Tausende von Arbeitern gehen durch die Straßen und rufen im Chor: »Man kann nicht ewig wie ein Stück Vieh leben!« August Spies führt die zornige Menge von Fabrik zu Fabrik. Chicago ist zum Pulverfaß geworden, das jeden Augenblick explodieren kann. Es dauert Tage — überall Straßenkämpfe und Demonstrationen, Schießereien und Verhaftungen. Aber der Kampf geht weiter, und an einem Abend — da werden sechs Polizisten von einer Bombe getötet. Die Zahl der gefallenen Arbeiter wird nicht bekanntgegeben... es waren zu viele. Einige Monate später werden vier Gewerkschaftler gehängt. Einer davon war August Spies.
    Die Haymarketversammlung — Ursprung des Arbeiterklassenbewußtseins — hatte am 1. Mai 1886 stattgefunden: dem Tag, »den man niemals vergessen wird«, glaubte Heinrichs Vater. Wirklich nicht?
    Seit einem Jahrhundert gedenken wir dieses Ereignisses am 1. Mai, dem »Tag der Arbeit«. Aber wieviele unter den Millionen und Abermillionen Menschen, die sich jedes Jahr über diesen gesetzlichen Feiertag freuen, wissen noch, wem sie ihn verdanken!
     

Auf Schneckenjagd
     
    Les Brenets ist ein friedliches Dorf im Kanton Neuchâtel, direkt an der französischen Grenze. Ein Schweizer Bilderbuchdorf, wo die Gendarmen kaum jemals in die Verlegenheit kommen, ihre kriminalistischen Fähigkeiten unter Beweis stellen zu müssen. Sie leiden ganz bestimmt nicht an Überanstrengung! Eines Tages jedoch passiert endlich mal was: Ein Mann — ein Schweizer — erscheint bei der Polizei und will mit dem Brigadier der Kantonal-Gendarmerie sprechen. Er sieht mickerig aus, und schon jetzt, am frühen Nachmittag, ist er ziemlich beduselt, was gewöhnlich keinen besonders guten Eindruck auf Polizisten macht.
    Unvorstellbar, daß dieser Niemand Mittelpunkt eines internationalen Konflikts werden soll — eines regelrechten Krieges, der uns allen viel zu lange verschwiegen wurde! Höchste Zeit, daß die Öffentlichkeit endlich erfährt, was dort und damals — 1973 — geschehen ist.
    »Wer sind Sie«, fragt der Brigadier, obwohl er seinen Besucher gut kennt.
    »Hm... ich bin doch der Jean-Louis Vervier!«
    »Und wo wohnen Sie?«
    »Hm... das wissen Sie ja, Herr Brigadier, in La Bugne.«
    »Sie wollen mich sprechen, also — was ist?«
    »Hm... nun... heute morgen war ich auf der Jagd, und da hat plötzlich jemand nach mir gerufen... auf unserem Ufer Herr Brigadier! Und es war ein Franzose!«
    »Auf unserem Ufer? Sie meinen in der Schweiz?«
    »Ja, Herr Brigadier... vielleicht ein ganz wenig... in der Schweiz.«
    »Kannten Sie den Mann?«
    »I woher! Nie gesehen!«
    »Wieso wissen Sie denn, daß er Franzose war?«
    »Der Akzent, Herr Brigadier.«
    »So, der Akzent! Und was machte dieser Franzose bei uns?«
    »Ich glaube... er suchte Schnecken. Er hatte einen großen Eimer dabei, mit einem Deckel.«
    »Ja gut, und was weiter?«
    »Hm... ich hab ihn gefragt, ob es ihm schlecht geht... er hat so traurig ausgesehen... komisch... wie ein Totengräber! Ja, genauso, Herr Brigadier! Ich muß schon sagen, er war wirklich arm dran! Er hat mir seine ganze Misere erzählt. Seine Frau will ihn verlassen mit den zwei Kindern, er ist völlig pleite, hat keine Arbeit, und nun will man ihm auch noch den kleinen Lieferwagen wegnehmen, wo er drin wohnt. Ich hab’ versucht, ihn zu trösten... er sollte sich mal richtig vollaufen lassen, hab ich ihm gesagt, das tut gut, und am nächsten Tag sieht die Welt ganz anders aus. Aber er wollte nicht, und er traute sich auch nicht zu seiner Frau zurück... es ist aus mit ihm, sagte er... er will sich mit seinem Gewehr eine Kugel in den Kopf jagen... sagte er!«
    »Er hatte ein Gewehr bei sich?«
    »Ja, Herr Brigadier.«
    »Weiter! Was ist dann passiert?«
    »Ich... ich weiß es nicht. Er hat den Fluß überquert, und ich bin auch weggegangen. Aber ich habe einen Schuß gehört! Da bin ich sofort zurückgerannt, hab gerufen und gerufen... nichts! Er hat nicht geantwortet.«
    »Und Sie haben ihn gesucht, ja?«
    »Aber nein... ich konnte doch nicht! Er war am anderen Ufer... in Frankreich, Herr Brigadier!«
    Ja — so ist das nun mal: Ein Franzose traut sich schon, ein paar Meter über die Staatsgrenze zu gehen, ein Schweizer jedoch bleibt brav auf seinem Territorium — das versteht sich von selbst!
    Schon eine Stunde später schlängelt sich — auf dem französischen Ufer — ein französischer Brigadier durch das dichte Gebüsch den Grenzfluß

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