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Ein Alptraum für Dollar

Ein Alptraum für Dollar

Titel: Ein Alptraum für Dollar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Bellemare
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Einwanderern aus aller Welt strömen in diese hochentwickelte Industriestadt und betteln regelrecht um irgendeinen Job, ganz gleichgültig, unter welchen Bedingungen sie arbeiten müßten. Ja, sie kämpfen sogar um Arbeit, im wahrsten Sinne des Wortes. »Kampf« — das ist ein Wort, das seine wirkliche Bedeutung nicht verloren hat, 1886, in Chicago.
    In dieser schlaflosen Nacht ist der 15jährige Heinrich Zuber um Jahre älter geworden. Als er am nächsten Morgen zur Pferdebahnhaltestelle geht, trifft er seinen Nachbarn Joseph Fischer, Drucker bei der »Arbeiter Zeitung«, einem Blatt, das sich auch um Dinge kümmert, die es nichts angehen.
    »Guten Morgen, Joseph.«
    »Na sieh mal einer an! Zuber-Junior grüßt! Was verschafft mir die Ehre?«
    »Komm Joseph, sei nicht so. Du weißt doch, daß Mutter es nicht gerne hat, wenn man uns zusammen sieht, ich kann ja nichts dafür.«
    »Schiß, was?«
    »Ja! Seitdem mein Vater arbeitslos ist.«
    »Hat die Mami Angst, daß du auch gefeuert wirst, wenn du mit einem Genossen redest? Hau lieber ab!«
    »Kannst du’s denn nicht verstehen?«
    »Was willst du eigentlich? ’s mir doch egal, ob du mit mir redest oder nicht! Verschwinde, und geh brav zur Arbeit! Deine Mutter hat schon recht! Ich bin kein empfehlenswerter Umgang für dich!«
    »Joseph... ich möchte dich was fragen.«
    »Wo brennt’s denn?«
    »Gestern abend, da war ein Mann vor der Fabrik, und der hat gesagt: >Man kann doch nicht ewig wie ein Stück Vieh leben.<«
    »Na und?«
    »Ja... und... ich glaube, er hat recht. Was meinst du dazu?«
    »Heinrich, ich bin Drucker bei der >Arbeiter Zeitung<. Ist doch klar, was ich dazu meine! Du hast unser Blatt wohl noch nie gelesen, oder?«
    »Stimmt.«
    »Ich wette, daß du nicht einmal weißt, wer der Mann gestern war?«
    »Kennst du ihn?«
    »Alle Genossen, alle Arbeitslosen kennen ihn — auch dein Vater. Bestimmt! Das war August Spies, der Boß der >Arbeiter Zeitung<, mein Boß! Da staunst du, was?« Auf dem Weg zur Arbeit lernt der junge Deutsche an diesem Morgen eine völlig neue Welt kennen. Er erfährt zum Beispiel, wie die Gewerkschaft vor drei Wochen den ersten großen Sieg der Arbeiter über die Arbeitgeber errungen hat: In einer Fabrik für landwirtschaftliche
    Geräte hat sich die Mehrheit der Arbeiter gegen die Betriebsleitung solidarisch erklärt und mit Streiks gedroht. Unvorstellbar in diesen mageren Zeiten! Die Bosse haben nur müde darüber gelacht und die gesamte Belegschaft sofort entlassen. Massenaussperrung! Kein Problem für die Fabrik: Man feuert einfach alle Arbeiter, und ein paar Tage später stellt man halt alle wieder ein, die schön artig gewesen waren. Solche Säuberungsaktionen sind nicht ungewöhnlich, sondern legal und durchaus üblich. Und die noch freien Stellen besetzt man dann mit neuen Einwanderern, die in solchen Fällen vor der Fabrikpforte Schlange stehen.
    Nach der totalen Aussperrung hing dort ein Schild mit der Ankündigung: »Wir stellen 800 bis 1000 Arbeiter ein.«
    Aber dank der erbitterten Kampagne der »Arbeiter Zeitung« haben sich nur dreihundert Männer gemeldet. Nur dreihundert! Den Bossen ist das Lachen vergangen. Und Joseph Fischer erzählt seinem neuen Freund weiter:
    »Ja, das war vor drei Wochen, und die Fabrik sucht noch immer vergeblich fünfhundert neue Arbeiter! Stell dir das mal vor! Was für ein Sieg für die Gewerkschaft! Für unsere Zeitung! Für August Spies!«
    »Das gibt’s doch nicht... Mein Vater sucht seit einem Jahr Arbeit! Er steht zwar auf den schwarzen Listen, aber...«
    »Das ist denen doch jetzt egal! Sie müssen bald dicht machen, wenn sie keine Arbeiter kriegen!«
    »Du meinst... mein Vater könnte dort arbeiten? Seit drei Wochen schon?«
    »Klar! Sie würden ihn sogar mit Kußhand nehmen! Aber wahrscheinlich will er nicht!«
    Heinrich hat viel gelernt seit gestern abend, und er beginnt langsam zu verstehen. Er denkt über seinen Vater nach, der sich immer »um Dinge kümmert, die ihn nichts angehen«... Zu Hause redet er nie. Jeden Morgen geht er zum Arbeitsvermittlungsbüro, fragt, ob es eine Stelle für ihn gibt — und geht wieder heim. Seit einem Jahr. Bestimmt hat man ihm gesagt, daß er bei der Fabrik für landwirtschaftliche Geräte arbeiten könnte. Er weiß es bestimmt, aber er geht nicht hin. Er ist einer dieser fünfhundert Männer, die lieber arbeitslos bleiben, als sich unterdrücken und ausnützen zu lassen.
    Den ganzen Tag lang, während die abgeschlachteten Schweine so an ihm

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