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Ein altes Haus am Hudson River

Ein altes Haus am Hudson River

Titel: Ein altes Haus am Hudson River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Wharton
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war, erkannte er, dass sie nicht die pure außerirdische Wonne war, sondern eine handfeste irdische Tatsache, an irdische Grenzen gefesselt, was ihre Schönheit ihn hatte vergessen lassen. Laura Lou, die Verursacherin des Rausches, war ein menschliches Wesen, das ernährt, gekleidet und umsorgt sein wollte – wie hatte der Geistliche gesagt? –«in gesunden und kranken Tagen, bis dass der Tod euch scheidet». Zusammen sein konnten sie (zumindest in Laura Lous Augen) nur in einer Welt, die bestimmt war von Essen, Kleidung und Gehalt, von Krankheit oder Gesundheit, Erfolg oder Misserfolg, Schwiegermutter oder Pension. Als Vance nach oben ins Bett ging, nachdem er in dem kühlen, schlecht beleuchteten Esszimmer einen unentschiedenen Kampf mit seinem ersten« Kokospalmen»-Artikel ausgefochten hatte, überlegte er:«Nun ja, jedenfalls macht es sie glücklich, wieder hier zu sein», und er beugte seinen ungestümen Nacken unter das Joch.

    Anfangs schien das Joch weniger drückend als erwartet. Während er arbeitete, hatte Laura Lou ihre Mutter zur Gesellschaft. An den wenigen Tagen, an denen er bisher mit ihr allein gewesen war, hatte ihn die Zärtlichkeit seiner Frau geradezu erschreckt – nicht ihre Leidenschaft, sondern ihre Unterwürfigkeit. Unvorstellbar, dass ein Menschenleben so bereitwillig und vollständig in einem anderen aufgehen konnte. Es war wie eine Bluttransfusion: Es schien, als hätte er sie mit Leib und Seele in sich aufgenommen. Wenn er nach einigen Stunden Abwesenheit zurückgekehrt war, hatte ihn nur ihr liebliches Gespenst erwartet, und seine Gegenwart musste sie erst wieder mit lebendiger Wärme erfüllen. Jetzt war es anders. Laura Lous Liebe hatte durch die Rückkehr zur täglichen Routine in der vertrauten Umgebung eine ruhigere Form angenommen. Sie, die früher ihrer Mutter so wenig geholfen hatte, beteiligte sich nun eifrig an der Hausarbeit; vermutlich versuchte sie zu lernen, wie sie es ihm gemütlich machen konnte. Schon verteidigte sie unnachgiebig seine Arbeitsstunden und hatte Mrs Tracy ein paarmal getadelt, weil sie ihn gebeten hatte, Kohlen heraufzutragen oder die Dachrinne zu säubern. Zum Glück war er willig, wenn auch ungeschickt, und hatte nichts dagegen, Uptons ehemalige Aufgaben zu übernehmen, solange ihn die Frauen nur in Ruhe schreiben ließen. Das war nicht sehr schwierig, denn er arbeitete nachmittags und abends, wenn sie schon im Bett lagen, und die ersten Wochen in Paul’s Landing verliefen friedlich.
    Eines Tages tauchte Upton auf. Er war breiter und kräftiger geworden, und seine neue Stelle verlieh ihm etwas Gewichtiges, das Vance anfangs amüsierte und dann ärgerte, denn für ihn war er immer noch der verschlagene Bursche von vor drei Jahren. Upton schien über Laura Lous Heirat ebenso wenig erfreut wie die Mutter und ließ sich von Vance’ literarischen Beglaubigungsschreiben ebenso wenig beeindrucken. Während die Frauen in der Küche waren, folgte er Vance ins Esszimmer, wo dieser eine Ecke für seinen Schreibtisch bekommen hatte, schloss feierlich die Tür und fragte, was denn mit Bunty Hayes sei. Vance lachte und antwortete, Bunty Hayes werde sie wohl nicht mehr groß belästigen, er habe jetzt drei Wochen Zeit gehabt, ein Tamtam zu machen, aber sie hätten nichts von ihm gehört.
    « Oh, das kommt schon noch», sagte Upton ein wenig ängstlich.« Er war in Kalifornien, als du mit Laura Lou weggelaufen bist, er weiß, glaube ich, noch gar nichts. Mit seiner Arbeit in New York ist er seit Thanksgiving fertig, und sein Arbeitgeber hat ihn Richtung Westen geschickt, um Routen für Winter- und Frühlingsreisen zu überprüfen. Er kann jeden Tag zurückkommen», schloss er.
    Vance lachte wieder.«Na und, was soll er schon machen?»
    Upton errötete verlegen und sagte:«Mir wäre wohler, wenn Mutter das Geld nicht angenommen hätte.»
    Vance erwiderte, ihm gehe es genauso, doch da sie es einmal angenommen habe, bleibe ihnen nichts anderes übrig, als es zurückzuzahlen. Seines Wissens erstatte die St.-Elfrida-Schule nichts von der Vorauszahlung, wenn die Schülerin schon einen Teil des Kurses besucht hatte; er werde sein Bestes tun und das Darlehen so rasch tilgen, wie es sein Gehalt zulasse. Das Thema langweilte ihn allmählich, und er versuchte es zu wechseln, aber Upton kratzte sich unschlüssig am Kopf und blieb dabei:« Ich wollte, du hättest die ganzen tausend auf einen Schlag beschaffen können. Er gehört zu denen, die schnell unangenehm werden.»
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