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Ein altes Haus am Hudson River

Ein altes Haus am Hudson River

Titel: Ein altes Haus am Hudson River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Wharton
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er sagen? Schließlich begann er:«Würde es Ihnen etwas ausmachen, wenn ich umsattle und ein paar Gedichte für Sie schreibe?»In Tarrants Gesicht mischten sich Entsetzen und Verärgerung. Gedichte? Lieber Gott, alle Welt wollte Gedichte schreiben, jedes Boulevardblatt warf Gedichte auf den Markt. Dabei hatte er hier einen Burschen, der etwas anderes konnte, der eine echte Begabung für Kurzgeschichten, vielleicht sogar für Romane besaß – und nun wollte der eine solche Chance verspielen und sich unter die anonymen Schreiberlinge in der Dichterecke mischen?! Also wirklich, wo habe Weston denn seinen Verstand gelassen? Er sei an die«Neue Stunde»gebunden, habe sich zu festen Konditionen verpflichtet, habe einen diesbezüglichen Vertrag unterzeichnet. Verträge seien schließlich keine einseitige Angelegenheit … Tarrants gerunzelte Stirn entspannte sich, und er legte seinem Mitarbeiter die Hand auf die Schulter.«Schauen Sie, Sie habe eine böse Erschütterung hinter sich. Das kann jedem von uns passieren. Nur – wenn einem die Arbeit einmal zur Gewohnheit geworden ist, bleibt man auch dabei … trotz aller Widrigkeiten …»Tarrant straffte die Schultern, als biete er sich selbst diskret als lebendes Beispiel an.«Also, Weston, am besten fahren Sie jetzt nach Hause, so schnell Sie können, und bringen Ihre nächste Kurzgeschichte unter Dach und Fach. Wenn ‹Nicht abgeholt› den Pulsifer-Preis nicht bekommt, wer weiß, ob Sie nicht etwas in petto haben, mit dem Sie es schaffen? Ich habe erfahren, dass Fynes Sie um einen Artikel über den ‹Laden an der Ecke› gebeten hat. Die Verkaufszahlen seines Buches sind in letzter Zeit gesunken, und er hofft darauf, dass wir sie wieder steigern. Hätten Sie einen erfolgreichen Artikel darüber geschrieben, wäre das Ihrer Aussicht auf den Preis enorm förderlich gewesen. Aber ich musste Rauch dransetzen, denn wir hatten keine Zeit mehr. Darüber brauchen Sie sich jetzt also nicht mehr den Kopf zu zerbrechen; nehmen Sie einfach Ihre Kurzgeschichte in Angriff», beendete Tarrant seine Ansprache in leutseligem Ton.
    « Ist gut», murmelte Vance, froh, dass es vorbei war.
    Ihm blieben noch ein paar Stunden, bis sein Zug ging, und er begann durch die Straßen zu wandern wie in seinen ersten dunklen Tagen in New York. Damals war er unbekannt und hungrig gewesen, jetzt hatte er einen Namen, Freunde, ein Dach über dem Kopf und eine Frau, die ihn vergötterte, dennoch war er innerlich einsamer als je zuvor. War das sein Fehler, oder lag es an diesem schrecklichen System, das ein Talent vergewaltigte und, schon bevor es reif war, jeden Tropfen aus ihm herauspressen wollte, lag es an diesem Prinzip des raschen Umsatzes, das auf Gehirne genauso angewandt wurde wie auf Immobilien? Während er weiterging, stieg wieder der alte Traum von einem Roman über New York in ihm hoch. Die drängelnden Menschenmassen, die Autoschlangen, die riesigen, hochmütigen Steingebirge erregten seine Phantasie, und er dachte:«Tarrant hat recht. Wie idiotisch von mir, ihm mit Gedichten zu kommen! »Er stand an einer Ecke der Fifth Avenue, die Automobile rollten in einer endloser Prozession auf und ab, und während er in den einen oder anderen langsam fahrenden Wagen blickte, fragte er sich, was diese Frauen (denn es waren fast alles Frauen) für ein Leben führten, wohin sie gingen, woran sie dachten und welche anderen Leben mit den ihren verwoben waren. Ach, wenn er ein Jahr Zeit hätte und von alldem träumen könnte, ohne einen Stift aufs Papier setzen zu müssen! Doch nicht einmal ein Jahr würde ausreichen; vielmehr müsste er selbst ins Leben eintauchen, ohne auch nur daran zu denken, dass dies eines Tages Gewinn abwerfen sollte, müsste so sorglos leben wie all diese Frauen, die in ihren Autos an ihm vorbeiglitten …
    Mrs Pulsifer gehörte sicher auch zu ihnen. Der Gedanke erinnerte ihn an ihr Telegramm. Er hatte es nicht beantwortet, weil er nicht gewusst hatte, was er hätte schreiben sollen. Aber jetzt, wo er in der Stadt war, konnte er sie doch besuchen? Merkwürdige Frau – sie hatte das Telegramm mit«Jet»unterzeichnet, als ob sie alte Freunde wären! Ein Glück, dass sie einen so seltsamen Namen trug; wenn sie Mabel geheißen oder sonst einen normalen Frauennamen gehabt hätte, dann hätte ihm Laura Lou endlos in den Ohren gelegen … Er entsann sich ihrer Adresse, sie wohnte nur ein paar Straßen weiter, und ihm blieb reichlich Zeit für einen Besuch, bis sein Zug ging.

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