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Ein altes Haus am Hudson River

Ein altes Haus am Hudson River

Titel: Ein altes Haus am Hudson River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Wharton
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verlangt. Und als Sie nicht antworteten und nicht kamen, war ich ganz unglücklich … Ich weiß, ich bin eine dumme Gans, ich weiß, was Sie jetzt denken … Aber ich kann es nicht ändern, ich wünsche mir so sehr, dass Sie den Preis bekommen», sagte sie, neigte sich plötzlich vor und legte ihre Hand auf die seine.
    Ihre Berührung schreckte ihn auf, denn er war noch immer in die Betrachtung des Zimmers versunken.«Oh, das ist sehr nett von Ihnen», stotterte er und fühlte sich verpflichtet, ihre Hand zu ergreifen, aber da war sie schon von der seinen abgeglitten, und Mrs Pulsifer hatte sich mit einer ihrer typischen zögerlichen Bewegungen zurückgezogen.«Ich weiß, das ist ganz verkehrt», beteuerte sie.«Ich sollte mir keine Gedanken machen, dürfte keine eigene Meinung haben; Sie dächten viel besser von mir, wenn ich mich zurückhielte und das Komitee entscheiden ließe.»Einen Augenblick lang verlieh ein wehmütiges Lächeln ihrem mageren Gesicht einen Hauch von Jugendlichkeit.«Aber schon als ich Sie zum ersten Mal sah, hatte ich das Gefühl …»Sie stand auf und entfernte sich mit langen Schritten.«Wollen Sie die anderen Zimmer sehen? Mögen Sie Gemälde?»
    Ja, antwortete Vance, er würde sich außerordentlich gern umsehen. Er erklärte eifrig, er habe noch nicht oft Gemälde gesehen und bekäme gern einmal ein paar gute Bücher über Malerei in die Hand … ob sie ihm vielleicht welche leihen könne? Doch er hielt inne, als er merkte, dass Mrs Pulsifer gar nicht mehr zuhörte, dass es nicht das war, was sie hören wollte. Er spürte dunkel, dass er seine Chance verspielt hatte, dass der Preis sein gewesen wäre, wenn er ihre Hand umfangen hätte.«Rauch hätte sie nicht losgelassen», dachte er leicht belustigt. Aber sie war so ganz anders als die Frauen, mit denen er leichtfertig Zärtlichkeiten ausgetauscht hatte. Sie wirkte blutleer, unkörperlich, als wäre sie Teil dieser prachtvollen, fremdartigen Umgebung und könnte jeden Augenblick in einen der großen vergoldeten Rahmen zurücksteigen, vor denen er staunend stand. Sie leierte oberflächliche Phrasen über die Gemälde herunter, ihre Gemälde, ihren Constable, ihren Rembrandt, ihren Vermeer 65 und weitere Namen, die er in seiner Aufregung nicht verstand, und führte ihn dann in ein anderes Zimmer, um ihm die«Modernen»zu zeigen, verwirrende Sachen von Unbekannten, deren Namen sie aber alle mit der Attitüde des Besitzers nannte, als hätten die Künstler – wer immer sie waren – wie der Architekt nur für sie und unter ihrer Anleitung gearbeitet. Von einigen Malern, die nicht an ihren Wänden vertreten waren, sprach sie verächtlich; die wolle sie um keinen Preis haben, auch wenn andere Leute sich um sie balgten; sie sei entschlossen, sie selbst zu bleiben, unabhängig, ganz gleich, wie nachdrücklich man auf sie einrede. Ob er nicht auch finde, dass sie recht habe, fragte sie ihn herausfordernd. Ihr nervöses Geplapper nahm ihm die Freude an den Gemälden und machte es ihm unmöglich, sich innerlich abzuschotten und den überwältigenden Eindrücken hinzugeben.« Wie schade», dachte er. Sein Herz pochte und summte in ungekannten Harmonien. Vielleicht konnte er sich ein andermal, wenn sie sich besser kannten und unbefangener miteinander verkehrten, einen weiteren Besuch ausbitten. Und er dachte, wie anders alles gewesen wäre, wenn die Frau an seiner Seite Halo Tarrant wäre, die ihn schöne Dinge deutlicher sehen ließ, nicht vernebelter.
    « Ah, hier steht schon der Tee. Aber vielleicht hätten Sie lieber einen Cocktail?», fragte Mrs Pulsifer. Sie waren in das runde Zimmer zurückgekehrt, vor dem Kamin stand ein Tischchen mit dünnen Porzellantassen und einem glänzenden Samowar. Vance sagte, er trinke lieber Tee. Noch nie hatte man ihm um diese Uhrzeit Tee angeboten, und es gefiel ihm, wie ihre schlanken Hände sich über dem Tablett bewegten, den Tee in der Kanne schwenkten und die Samowarflamme regulierten. Es erinnerte ihn an eine Szene aus einem englischen Roman, den er in The Willows gelesen hatte. Er dachte an seinen eigenen Roman und musste sich zwingen, Mrs Pulsifer zuzuhören – sie sagte allerlei Hastiges und Wirres über Einsamkeit, sprach darüber, dass sie ihren Reichtum hasse, weil er sie den wenigen Menschen, aus denen sie sich etwas mache, entfremde … dass sie das Genie verehre, und ob er ihr versprechen wolle, ihr ganz, ganz enger Freund zu sein, öfter zu kommen, ihr zu sagen, was sie falsch mache, und sie von

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