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Ein altes Haus am Hudson River

Ein altes Haus am Hudson River

Titel: Ein altes Haus am Hudson River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Wharton
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ungestüm vor, er bedaure gewiss, dass sie gekommen sei, denn nun müsse er mit ihr reden und könne sich nicht mehr die Bilder ansehen. Vance verstand es nicht, im Konversationston zu parieren, er hätte sie nur küssen oder über ihre Besitztümer ausfragen können; Letzteres hätte ihr nicht gefallen, und zu Ersterem verspürte er keine Lust, denn sie war erkältet, und ihr Gesicht sah im Frühlingslicht fahl und ältlich aus.«Ich finde es großartig, durch dieses Haus zu spazieren», gestand er.
    « Aber warum kommen Sie dann nicht öfter? Ich weiß, ich bin nicht klug, ich kann mich nicht mit Ihnen unterhalten, aber wenn Sie zum Essen kämen, würde ich ein paar passende Leute einladen, geistreiche Gäste wie Frenside, Lewis und Halo Tarrant und Sibelius vom Metropolitan Museum, der Ihnen viel mehr über meine Gemälde erzählen könnte als ich.»Sie wurde ganz wehleidig vor lauter Selbsterniedrigung, und als sie wiederholte:« Warum wollen Sie nicht kommen? Warum lehnen Sie immer ab?», verlor er den Kopf und stammelte:«Ich … nein … ich kann nicht – ich kann nicht zu Ihnen zum Essen kommen.»
    « Sie meinen, Sie haben etwas Unterhaltsameres vor?», fragte sie vorsichtig, und er antwortete:«Meine Güte, nein, das nicht. Es ist nur – ich bin zu arm», platzte er schließlich heraus.
    Sie schwiegen beide.
    « Zu arm?», wiederholte sie dann verständnislos.
    Er lachte.«Zunächst einmal habe ich keinen Abendanzug. Ich habe ihn versetzen müssen.»
    Mrs Pulsifer, die neben ihm saß, wie immer beflissen nach vorn gebeugt, fuhr unwillkürlich zurück.«Oh …», stammelte sie, und er hatte den Verdacht, dass sie verlegener war als er. Diese Entdeckung nahm ihm irgendwie die Befangenheit.
    « Ach, Sie brauchen nicht so entsetzt dreinzuschauen. So was passiert jedem mal», spöttelte er. Sie murmelte:«Das tut mir leid», und ihr Mund schien sich schon zu weiteren Beileidsbekundungen öffnen zu wollen. Sie neigte sich wieder zu ihm, und er merkte, dass sie fieberhaft überlegte, was sie sagen sollte. Ihre Hilflosigkeit rührte ihn; er an ihrer Stelle hätte es so gut gewusst! Bei diesem Geschöpf war anscheinend das Mitleidsorgan verkümmert; sie mühte sich vergebens, ihm in der einsamen Ödnis ihrer unermesslichen Reichtümer ein Zeichen menschlichen Mitgefühls zukommen zu lassen.«Es tut mir so leid», flüsterte sie wieder, als sei ihre Stimme unfähig, die Entfernung zu überbrücken. Vance stand auf und ging ein paar Schritte durchs Zimmer. Wenn es ihr wirklich leidtat – so leid wie … Er blieb vor ihr stehen und begann leise und verlegen zu sprechen.« Es ist nun mal so, ich bin völlig abgebrannt – oh, nur vorübergehend natürlich, ich habe unerwartete Auslagen gehabt …»Er schwieg und fragte sich verzweifelt, warum er überhaupt damit angefangen hatte. Mrs Pulsifer saß regungslos vor ihm. Nicht einmal ihre Augen und ihre nervösen Hände bewegten sich. Vielleicht hatte noch nie jemand mit ihr über etwas wie Armut gesprochen.«Hören Sie», brach es aus ihm heraus,«wenn Sie wirklich an mich glauben, würden Sie mir dann zweitausend Dollar leihen?»
    Seine Bitte hallte durchs Zimmer, als hätte er sie hinausgeschrien. Ein leichtes Zittern glitt über Mrs Pulsifers Gesicht, dann erstarrte sie. Diese Situation hatte in ihrem Leben eindeutig nicht ihresgleichen, und sie fühlte sich ihr erbärmlich wenig gewachsen. Vance wurde wütend. Es war nicht in Ordnung, dass diese Menschen, die auserwählten Kustoden von Wissen und Schönheit, so begriffsstutzig waren, so ungeeignet für ihre Aufgabe. Er blieb unentschlossen vor ihr stehen, wütend auf sich und auf sie.«Es ist wohl besser, ich gehe», murmelte er schließlich.
    Sie blickte beunruhigt auf.«Oh, nein … bitte nicht … Es tut mir so leid.»
    Diese nichtssagende Wiederholung erzürnte ihn.«Wahrscheinlich haben Sie noch nie jemanden getroffen, der total pleite war, oder? Wahrscheinlich hat der junge Mann an der Tür Anweisung, so jemanden nicht hereinzulassen», spottete er und errötete ob seiner eigenen Demütigung.
    Sie wurde blass und wusste vor Unbehagen nicht wohin mit ihren Händen.«Ich – oh, Sie verstehen nicht, Sie verstehen nicht. Ich versuche … meiner Verantwortung gerecht zu werden … Diese Dinge … Ich habe Berater … äußerst tüchtige Mitarbeiter, die sich damit befassen … jeder Fall wird – wird gewissenhaft überprüft. »Sie sprach, als zitierte sie aus einem Wohlfahrtsbericht.
    « Aber ich bin kein

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