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Ein altes Haus am Hudson River

Ein altes Haus am Hudson River

Titel: Ein altes Haus am Hudson River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Wharton
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trennen. Doch obwohl er sich oft an den Ketten seiner unüberlegten Heirat wund gescheuert hatte, obwohl er seine Frau schon lange nicht mehr als Gefährtin seines Seelenlebens betrachtete und zu Ausflüchten griff, um ihrer verliebten Fürsorglichkeit zu entkommen, erfüllte ihn der Vorschlag ihrer Mutter jetzt mit unaussprechlichem Zorn. Er und Laura Lou sollten sich scheiden lassen?«Meinst du das ernst?», fragte er Mrs Tracy.
    Natürlich. Ob er nicht versuchen wolle, sie zu verstehen, ihr zuzuhören, sich nicht aufzuregen und sie so nervös zu machen, dass sie gar nicht mehr herausbekomme, was sie sagen müsse …
    « Müssen?», unterbrach er sie.«Wer zwingt dich? Du sagst, Laura Lou weiß nicht, dass du hier bist.»
    Mrs Tracys Verlegenheit wuchs. Wenn Vance dermaßen auf sie losgehe, könne sie keinen klaren Kopf behalten, und was bringe das schon, so ein Theater zu machen? Was immer er sage – sie sei entschlossen, ihrem Kind die Freiheit zu verschaffen und einen Neuanfang zu ermöglichen, damit es seine Gesundheit und gute Laune wiedererlange … So redete sie endlos weiter, in immer demselben verschreckten und dennoch sturen Ton. Sie hätten zu jung geheiratet, das sei immer ihr Haupteinwand gegen diese Ehe gewesen. Und Vance ohne feste Aussichten … oder jedenfalls mit zu geringen, um eine Frau zu ernähren … und seine Eltern unternähmen auch nichts … und Laura Lou sei gesundheitlich so anfällig. Seit jenem verrückten Marsch auf den verschneiten Berg sei ihre Lunge angegriffen, und soweit die Mutter wisse, gebe es keine Möglichkeit, den Winter in einem milderen Klima zu verbringen, wozu aber der Doktor geraten habe, wenn sie ihre Lunge ausheilen wolle. Mrs Tracy schwieg, außer Atem und erschöpft.«Es hängt alles von dir ab, Vance», begann sie wieder, immer noch ein wenig schnaufend.«Du hast ein eigenes Leben, eigene Ziele. Ich sag ja gar nicht, dass du nicht noch richtig Karriere machst und irgendwann vielleicht für eine wichtige Zeitung arbeiten darfst. Aber wie willst du dich bis dahin durchschlagen, mit einer kranken Frau am Hals und ohne dass deine Familie dir hilft? Lass sie gehen, Vance, das sag ich in deinem und ihrem Interesse, lass sie um Himmels willen gehen. Stell dir vor, wie es wäre, frei zu sein.»
    Er stand mit gesenktem Kopf da, und ihre letzten Worte klangen seltsam in seinen Ohren nach.«Stell dir vor, wie es wäre, frei zu sein.»Daran hatte er noch nie gedacht.
    « Sie gehen lassen – wohin?»
    In den Süden, erklärte Mrs Tracy eilig, irgendwo nach Kalifornien. Das habe der Doktor gesagt. Sie habe alles mit Upton besprochen. Upton habe in einer großen Baumschule in Kalifornien eine Stelle angeboten bekommen, und er würde das Angebot annehmen, wenn seine Mutter mitginge und ihm den Haushalt führte; Mrs Tracy würde das kleine Haus in Paul’s Landing um jeden Preis verkaufen, wenn sie nur Laura Lou fortbekäme, ehe es kalt wurde … Drüben in den Westküstenstaaten sei eine Scheidung angeblich so leicht zu bekommen wie ein Hefekuchen beim Bäcker. Man müsse nur hingehen und darum bitten, keiner Partei würden Vorwürfe gemacht, keiner frage nach anderen Frauen oder dergleichen … sodass Vance, falls er wieder heiraten wolle, eine weiße Weste habe … vollkommen …« O Vance, wenn du bloß wolltest – wenn du bloß einverstanden wärst, dass ihr euch im Guten trennt und mein Kind eine Chance bekommt!»Mit einem krampfhaften, trockenen Schluchzen brach Mrs Tracy ab.
    Vance erinnerte sich später nicht mehr, wie das Gespräch geendet hatte. Er wusste nur noch, dass es schon dunkel wurde, als er und Mrs Tracy schließlich das Haus verließen. Als sie den Weg entlanggingen, brannten schon die Laternen auf der Hauptstraße, und sie sahen die beleuchteten Straßenbahnen vorbeizuckeln. Mrs Tracy stieg in eine ein und verschwand.
    Vance setzte sich unter eine Laterne und zog einen Zettel aus der Tasche. Er schrieb darauf:«Die brauche ich nicht, ich gehe nie mehr dorthin», wickelte die Schlüssel in das Papier und schrieb Mrs Tarrants Namen darauf. Dann nahm er die nächste Straßenbahn und fuhr damit so weit wie möglich Richtung Eaglewood. Er hatte vor, hinaufzuwandern und die Schlüssel für sie abzugeben, dann würde er weitersehen. Der späte Augustabend war lautlos, aber nicht bedrückend, die Sterne schienen ihm ferner als in der Mittsommernacht, als zögen sie sich schon in herbstliche Höhen zurück; während er der Straße bergauf folgte, wehte ein

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