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Ein altes Haus am Hudson River

Ein altes Haus am Hudson River

Titel: Ein altes Haus am Hudson River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Wharton
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mir Mrs Tarrants Handschuh gibst, schick ich ihn zurück.»
    Statt einer Antwort öffnete Mrs Tracy ihre Handtasche (es war die, die ihr das Brautpaar bei der Rückkehr nach Paul’s Landing gekauft hatte), stopfte den Handschuh hinein und ließ die Schließe aus falschem Elfenbein zuschnappen.
    « Halt – gib mir den Handschuh!», stieß Vance hervor und errötete gleich darauf wegen seiner Unbesonnenheit.
    Mrs Tracy klemmte sich die Tasche unter den Arm.«Ich kümmere mich darum, dass sie ihn wiederkriegt», sagte sie.
    Er gab sich gleichgültig.«Oh, na gut.»Nach einer Pause fuhr er fort:«Wenn das alles ist, geh ich jetzt.»
    Doch Mrs Tracy ließ ihn nicht über die Schwelle.«Es ist nicht alles – ganz und gar nicht. Ich hab das zu entscheiden.»
    Vance wartete einen Augenblick. Er war zwar wütend, aber doch vernünftig genug, Mrs Tracy mit ihren Anschuldigungen Einhalt zu gebieten.«Wenn es noch etwas zu sagen gibt, sollte das wohl Laura Lou tun. Ich gehe jetzt heim, um ihr die Gelegenheit dazu zu geben», erklärte er.
    Mrs Tracy hob erregt die Hand.«Nein, Vance – nein! Das wirst du nicht tun. Der Brief hat sie sowieso schon fast umgebracht. Und du weißt, dass sie sich nicht aufregen und sorgen darf…»Sie schwieg einen Moment und fuhr dann mit einer gewissen Würde fort:«Deshalb bin ich hierhergekommen – um sie zu schonen.»
    Vance überlegte.«War es ihre Idee, dass du herkommen sollst?»
    « Nein, sie weiß gar nicht, dass ich da bin. Ich hab ihr gesagt, wir müssen was unternehmen, um rauszukriegen, was los ist, aber sie war so durcheinander, sie wollt nichts davon hören. Mein Kind ist ein Nervenbündel, Vance. Das hast du aus ihr gemacht.»
    « Wenn ich ein Nervenbündel aus ihr gemacht habe, glaubst du, dass es sie dann beruhigt, wenn du heimgehst und ihr erzählst – was du offenbar vorhast –, dass ich mich hier mit anderen Frauen treffe?»
    Diese Beweisführung war für Mrs Tracys zerzausten Verstand etwas zu lückenlos. Sie überlegte eine Weile und sagte dann:«Ich bin nicht hergekommen, um dann heimzugehen und ihr alles zu sagen.»
    Vance blickte sie erstaunt an.«Warum in aller Welt bist du dann gekommen? Du hast dich so in deinen Zorn hineingesteigert, dass keine meiner Beteuerungen dich überzeugen würde, das merke ich schon. Aber wenn Laura Lou nicht hineingezogen werden soll …»
    Seine Schwiegermutter trat näher, mit einem bittenden Blick, der ihr Gesicht menschlicher machte.«Es hängt alles von dir ab, Vance.»
    « Aber du wirst doch nicht glauben …»
    « Ich glaube, dass du Laura Lou nicht mehr wehtun willst als nötig, und ich will das ja auch nicht», fuhr sie fort, bemüht, ihn zu überreden.«Und ich bin hier, um dich zu bitten, dass du sie schonst … Gib ihr eine Chance, bevor’s zu spät ist …»Sie hob flehentlich die Hände.«Lass sie um Gottes willen ohne Kampf gehen, Vance. Das ist jetzt ihre Chance, und ich finde, dass sie sie nutzen sollte, und wenn du’s ihr leicht machst, mach ich’s dir auch leicht, das versprech ich dir hoch und heilig. Vance, schau, ich hab dich hier erwischt, wo ich die Bedingungen stellen kann … Ich hab Beweise … ich hab die Oberhand gewonnen, wie es heißt.»Sie brach ab und fuhr mit veränderter Stimme fort:«Aber so will ich gar nicht mit dir reden, Vance. Ich will dir bloß sagen: Warum nicht einfach zugeben, dass es ein Fehler war, ein Irrtum von Anfang an, und mein Kind freigeben, bevor’s zu spät ist?»
    « Zu spät wofür?»
    « Dass sie wieder gesund wird und ihre Jugend so genießen kann, wie’s sein sollte …»
    In Vance’ Gehirn ging seit dem Schrecken über Mrs Tarrants jähen Abschied alles drunter und drüber, und dieser erneute Angriff auf seine Gefühle betäubte ihn restlos. Mrs Tracy hasste ihn, hatte ihn immer gehasst. Dessen war er sich seit Langem achtlos bewusst, und er hatte rasch erkannt, wie gierig sie die Gelegenheit beim Schopf gepackt haben musste, die Oberhand zu gewinnen, wie sie sagte, die Gelegenheit, plötzlich zu Recht enttäuscht und verärgert zu sein. Aber er hatte nicht für möglich gehalten, dass sie etwas Konkreteres im Sinn hatte, dass sie nicht ihn verletzen, sondern Laura Lou befreien wollte. Es war zweifelsohne dumm von ihm, ja unbegreiflich, dass er, der sein Leben lang in einer Welt schmerzloser Scheidungen gelebt hatte, wo man den Lebensgefährten mitunter bloß um des sozialen Aufstiegs willen wechselte, nie auf den Gedanken gekommen war, er und Laura Lou könnten sich

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