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Ein altes Haus am Hudson River

Ein altes Haus am Hudson River

Titel: Ein altes Haus am Hudson River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Wharton
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schon richtig sein, wenn die es sagen.»Etwas spitz nannte sie die Spears immer nur die , seit sie erfahren hatte, dass Vance in Eaglewood zum Lunch gewesen war.« Nein, so etwas! Vielleicht erinnern die sich eines Tages auch daran, dass Upton und Laura Lou ebenfalls mit ihnen verwandt sind.»Vance hatte das Gefühl, dass er sie mit seiner Bitte um die Schlüssel irgendwie gekränkt hatte, und das tat ihm leid, aber er konnte die Bücher nicht aufgeben.
    New York war vollkommen aus seinen Gedanken verschwunden. Er war klug genug zu begreifen, dass sich für einen Jungen wie ihn in New York keine vergleichbare Gelegenheit bot. Erst musste er etwas lernen, dann konnte er dort sein Glück versuchen. Als er beim Lunch in Eaglewood neben den Literaturkritiker gesetzt wurde, dessen Namen er in seiner Verwirrung nicht verstanden hatte, griff er aus einem tief sitzenden Instinkt heraus sofort und wie immer nach dem, was ihm Nahrung sein konnte, mochte die Umgebung noch so neu und unvertraut sein. Das war auf jeden Fall ein Redakteur – ein Journalist! Er hatte keine Ahnung, ob«Die Stunde»eine Tageszeitung war (wie der Name nahezulegen schien) oder eine Art Intellektuellenblatt (wie er befürchtete); was es auch war, es bot ihm vielleicht eine Chance – und hier saß er neben dem Mann, der die Macht hatte, ihm Zutritt zu den Zeitungsspalten zu verschaffen.
    Das war jedoch weniger leicht, als er gedacht hatte. Der große Mann, den sie alle einfach«George»oder«Frenny»nannten, bemühte sich offensichtlich, auf seine trockene, spöttische Art freundlich zu sein, aber Mrs Spears Anspielungen auf«unseren jungen Dichter»schenkte er keine Beachtung und erkundigte sich lediglich oberflächlich nach Vance’ Leben im Westen und seinem jetzigen Aufenthalt bei den Tracys. Eine einzige Frage stellte er und blinzelte den Jungen dabei gedankenverloren durch seine Brille an:«Und wohin geht es als Nächstes?»Doch als Vance gestand:«Ich möchte bei einer Zeitung arbeiten», schien sein Interesse abzuflauen.«So, so, natürlich», antwortete er bloß, als wolle er sagen:«Kann man in einer uniformen Welt etwas Außergewöhnliches erwarten?», und das Blut, das Vance zu Kopf gestiegen war, floss in sein Herz zurück. Vor ein paar Stunden, als er am Bergsee mit Halo Spear über seine Dichtung gesprochen hatte, schien alles möglich, jetzt dachte er bitter:« Vom Kern der Dinge haben Mädchen einfach keine Ahnung.»Und voll grimmiger Genugtuung ordnete er seine Bergnymphe dem gemeinen Volk zu.
    Doch als sie ihn an sein Versprechen erinnerte, ihr bei den Büchern zu helfen, schlug sein Gefühl in Anbetung um, und ihr Erscheinen in The Willows, lebhaft und inspirierend, führte ihn sofort wieder auf die Kuppe des Thundertop.«Wo sie geht und steht, ist dieser Teich», dachte er, und ihn packte das Verlangen, diesem Einfall in einem neuen Gedicht eine Form zu geben. Als sie das Abstauben und Sortieren unterbrach und sagte:«Ich habe deine Gedichte George Frenside gestern Abend zum Lesen gegeben», war er zu aufgeregt, um ihr zu danken oder nachzufragen. Einen Augenblick später, hingerissen von Andrew Marvell (Was – er kannte«The Coy Mistress» 37 nicht? Aber das müsse er sich anhören!), schien sie vergessen zu haben, was sie gesagt hatte, und nachdem sie ihn eine Stunde lang von einem Buch zum nächsten gejagt hatte, verschwand sie am Ende so plötzlich, wie sie gekommen war, zu dem mysteriösen Lewis, dem Kerl, den sie wahrscheinlich heiraten würde, wie Vance vermutete.
    Am nächsten Tag kam sie wieder, auch am übernächsten. Am vierten versprach sie, ihm die Schlüssel hier zu lassen und sich tags darauf mit ihm in The Willows zu treffen, aber sie nahm die Schlüssel mit, und er musste sich vom Hausmeister, der ihn mürrisch und prüfend ansah, aufsperren lassen. Den ganzen fünften Tag gab es kein Zeichen von ihr … und nun brach bald die Dämmerung herein und es war Zeit zu gehen.
    Seine Gedichte George Frenside zeigen (hieß der Mann so?) – zehn zu eins, dass er nie mehr von der Sache hören würde … Höchstwahrscheinlich hatte sie sie ihm nicht einmal gezeigt, hatte es nur vorgehabt und dann vergessen. Sonst hätte sie doch etwas zu berichten gehabt – und sei es etwas Ungünstiges. Unwahrscheinlich, dass sie nach der starken Dosis, die sie ihm bereits verabreicht hatte, vor unbequemen Wahrheiten zurückschrecken würde. Vielleicht hatte sie nach reiflicher Überlegung befunden, dass das Zeug es nicht wert war.

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