Ein amerikanischer Thriller
»Ich werde sie
schon vor November informieren. Irgendwann kommen die
zwangsläufig dahinter, aber dann bin ich wegen der Kennedy-
Verbindung schon viel zu wertvoll, um entlassen zu werden.
449
Der Kader wird zuviel gute Männer engagiert und zuviel
Geld verdient haben, und was allfäl ige moralische Bedenken
betrifft – was ist unmoralischer: Heroinverkauf an Neger
oder die illegale Invasion einer Insel?«
Klassischer Boyd: »Eigenfinanzierung«, »Autonomie« –
»Und mach dir wegen Littell keine Sorgen. Er versucht, an
Beweismaterial ranzukommen, weil er es an Bobby Kennedy
weiterreichen will. Doch laufen sämtliche Informationen über
mich, und ich lasse nicht zu, daß Littell dir schadet oder
daß Jimmy wegen des Kirpaski-Mordes Ärger kriegt oder
wegen sonstwas, was mit dir oder der Sache zu tun hat. Aber
früher oder später wird Bobby Hoffa drankriegen, und ich
will nicht, daß du dich da einmischst.«
Pete spürte, wie sich ihm der Kopf drehte. »Da komme
ich nicht gegen an. Aber Littell habe ich jetzt am Haken,
und wenn ich der Meinung bin, daß dein Schützling mal
eine Lehre braucht, so werde ich sie ihm erteilen.«
»Da komme ich nicht gegen an. Du kannst mit ihm
anstellen, was immer du für nötig hältst, solange du ihn
am Leben läßt.«
Sie schüttelten sich die Hand. » Les gens que l’on comprend «,
sagte Boyd, » ce sont eux que l’on domine. «
En français, Pierre, souviens-toi:
Wen wir verstehen, den beherrschen wir.
450
41
(New York City/Hyannis Port/New Hampshire/
Wisconsin/Illinois/West Virginia, 4. 2. bis 4. 5. 60)
Seit Weihnachten war er überzeugt. Seitdem war seine Über-
zeugung mit jedem Tag gewachsen.
Jack hatte Lauras Ring eingesteckt. Kemper hatte Jackies
Smaragdnadel an sich genommen. Sein Wagen hatte Start-
schwierigkeiten – ein Kennedy-Chauffeur bemühte sich, ihn
in Gang zu setzen. Kemper ging spazieren und überraschte
Jack mitten in der Verwandlung.
Jack stand am Strand mutterseelenallein. Er probte mit
lauter Stimme seine Selbstdarstellung in der Öffentlichkeit.
Kemper stel te sich so, daß er nicht gesehen werden konnte.
Jack verwandelte sich. Er wirkte nicht mehr bloß hoch-
gewachsen, sondern groß. Der bräsige Tonfall ging in einen
männlich festen Ton über.
Die Gesten saßen.
Jack lachte. Jack hob den Kopf, um zuzuhören. Jack faßte
meisterhaft zusammen: Rußland, die Bürgerrechte, den Wett-
lauf im All, Kuba, den Katholizismus, seine offensichtliche
Jugend und Richard Nixon, schleimiger, unfähiger Reaktionär,
nicht in der Lage, die größte Nation der Welt sicher durch
gefahrvolle Zeiten zu führen.
Er sah wie ein Held aus. Er ergriff den Augenblick und
legte alle Jungenhaftigkeit ab.
Die Selbstbeherrschung war stets dagewesen. Er hatte
451
seinen Anspruch zu verheimlichen gewußt, bis ihm die Welt
zu Füßen lag.
Jack war sich seines Sieges gewiß. Kemper wußte, er wür-
de mit der Kraft eines Rätsels, dem Gestalt anzunehmen
vergönnt ist, zu der ihm eigenen Größe finden. Und dank
seiner neugewonnenen Freiheit würde ihm die Liebe der
Menschen zufliegen.
Laura fand die Brosche wunderschön.
Jack gewann in New Hampshire und in Wisconsin.
Jimmy Hoffa führte sich in beiden Staaten wie ein
Schmierendarsteller auf. Jimmy mobilisierte die Teamster
und schäumte in landesweit ausgestrahlten Fernsehsendun-
gen. Jimmy brauchte nur den Mund aufzumachen, und sein
Irrsinn lag klar zu Tage.
Kemper organisierte den Gegenangriff. Pro-Jack-Demons-
tranten prügelten sich mit Pro-Teamster-Demonstranten. Die
Pro-Jack-Jungs hatten die lauteren Stimmen und wußten mit
ihren Plakattafeln umzugehen.
Bobbys Buch schaffte es auf die Bestsellerlisten. Kemper
verteilte Gratisexemplare in Gewerkschaftshäusern. Nach
vier Monaten herrschte Übereinstimmung: Jimmy Hoffa
war erledigt.
Jack sah hinreißend gut aus. Hoffa aufgeschwemmt und
abgekämpft.
Bei jeder seiner Kennedy-Beschimpfungen wurde ein-
geblendet: »Des betrügerischen Grundstückhandels ver-
dächtig.«
Die Leute liebten Jack. Die Leute wollten ihn anfassen.
452
Kemper gestattete den Leuten, den Sicherheitsabstand zu
durchbrechen.
Kemper gestattete den Fotografen jede Nahaufnahme.
Er wollte die Leute glauben machen, Jacks Belustigung sei
wahre, erwiderte Liebe.
In Nebraska gab es keinen Mitbewerber. In sechs Tagen
fanden die Vorwahlen von West Virginia statt – Jack dürfte
Hubert Humphrey aus dem Rennen werfen.
Frank
Weitere Kostenlose Bücher