Ein amerikanischer Thriller
Overlander-Krankenhaus bei Lake
Geneva gebracht, wo man ihn wegen zahlreicher
Schnittverletzungen und Fleischwunden im Rücken
sowie wegen gebrochener Rippen, Prellungen, einer
gebrochenen Nase, eines gebrochenen Schlüsselbeins,
innerer Blutungen und der von den Windschutzschei-
bensplittern hervorgerufenen Gesichtsverletzungen
behandelt hat. Entgegen ärztlichem Rat verließ Lit-
tell vierzehn Stunden später das Krankenhaus und
ließ sich von einem Taxifahrer nach Chicago fahren.
Agenten des Chicagoer Büros, die zu seiner Beob-
achtung abgestellt waren, sahen, wie Littell sein
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Wohnhaus betrat. Er brach im Eingang zusammen,
und die Agenten griffen in Eigeninitiative ein und
überführten ihn ins St. Catherine’s Hospital. 6.) Lit-
tell befindet sich nach wie vor im Krankenhaus. Sein
Zustand wird als »gut« bezeichnet, und mit seiner
Entlassung ist in einer Woche zu rechnen. Ein lei-
tender Arzt teilte den Agenten mit, daß die Narben
im Gesicht und auf dem Rücken bleiben werden, er
sich jedoch von den übrigen Verletzungen erholen
wird. 7.) Littell wurde von Agenten mehrfach zu drei
Fragenkomplexen verhört: über seinen Aufenthalt in
Lake Geneva, den Ursprung des verbrannten Geldes
und Existenz möglicher Feinde, die ihm unter Um-
ständen Schaden zufügen wollten. Littell behauptete,
er habe sich in Lake Geneva aufgehalten, um sich
nach einem geeigneten Wohnsitz für die Zeit nach
seiner Pensionierung umzusehen, und bestritt das
Vorhandensein des Geldes. Er erklärte, keine Fein-
de zu haben, und führte den tätlichen Überfall auf
eine Verwechslung zurück. Als Littell nach CPUSA-
Mitgliedern befragt wurde, die sich möglicherweise
wegen seiner Arbeit in der Roten-Staffel des FBI an
ihm rächen wollten, antwortete er: »Spinnt Ihr? Die
Kommunisten sind alles nette Leute.« 8.) Agenten
gehen davon aus, daß Littell wenigstens zwei Reisen
nach Lake Geneva unternahm. Sein Name wurde in
keinem Hotel- oder Motel-Gästeverzeichnis gefunden,
somit gehen wir davon aus, daß er sich entweder
unter einem falschen Namen eingetragen hat oder
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bei Freunden oder Bekannten übernachtete. Littells
Antwort – er habe sich zwischendurch immer wieder
im Wagen ausgeruht – war nicht überzeugend.
Die Untersuchung dauert an.
Hochachtungsvoll
John Campion
Leitender Sonderagent, Büro Milwaukee
DOKUMENTENEINSCHUB: 3. 6. 60. FBI-Aktennotiz.
Chicago SAC Charles Leahy an Direktor J. Edgar Hoover.
Sir,
in Sachen Special Agent Ward J. Littell liegen uns
folgende Erkenntnisse vor:
Special Agent Littell hat nun wieder leichteren
Dienst aufgenommen und wurde im Rahmen der Zu-
sammenarbeit mit der Bundesanwaltschaft zur Durch-
sicht bundesstaatlicher Anweisungsschriftsätze einge-
teilt, eine Aufgabe, die ihm gestattet, seine während
des Jurastudiums erworbenen Fähigkeiten zur Analyse
juristischer Schriftsätze nutzbringend einzusetzen. Er
lehnt es ab, sich anderen Agenten gegenüber zu dem
tätlichen Überfall zu äußern, und wie Sie SAC Cam-
pion möglicherweise bereits wissen ließ, sind wir bei
unserer Suche nach Zeugen seines Aufenthalts in Lake
Geneva nach wie vor erfolglos geblieben. Helen Agee
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teilte den sie befragenden Agenten mit, daß Littell
sich ihr gegenüber zu dem tätlichen Überfall nicht
geäußert habe. Ich selber habe Special Agent Court
Meade, Littells einzigen Freund im Chicagoer Büro,
einer Befragung unterzogen und bin zu folgenden Er-
kenntnissen gelangt:
A) Meade erklärt, Littell habe sich Ende 1958 und
Anfang 1959, nach seinem Ausschluß aus dem Top-
Hoodlum-Programm, in der Nähe des THP-Abhörpos-
tens »herumgetrieben« und Interesse an der Arbeit der
Einheit gezeigt. Meade zufolge hat sich das Interesse
anschließend verloren, und er hält es für äußerst un-
wahrscheinlich, daß Littell eigenständig gegen das
organisierte Verbrechen vorging. Daß für den tätlichen
Überfall Chicagoer Gangster verantwortlich sein könn-
ten, hält Meade für ebenso abwegig wie den Gedanken,
die von Littell überwachten Linken könnten sich für
seine Arbeit in der Roten-Staffel rächen wollen. Meade
nimmt an, daß Littells »ausgesprochener Hang« zu
jüngeren Frauen, ersichtlich an seiner Affäre mit Helen
Agee, Motiv des tätlichen Überfalls sei. In Meades
plastischen Worten: »Schaut euch mal oben in Wis-
consin nach einem idealistischen Mädchen mit bösen
Brüdern um, die das gar nicht lustig finden, wenn
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