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Ein amerikanischer Thriller

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Autoren: James Ellroy
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die Autos
    darüberrollten.
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    (Washington, D. C., 18. 12. 58)
    »Zu unterstellen, ich sei wütend, wäre eine Verniedlichung
    des Begriffs Wut. Zu unterstel en, ich hielte Ihr Verhalten für
    empörend, wäre eine Herabsetzung des Wortes Empörung.«
    Mr. Hoover legte eine Pause ein. Das Kissen auf dem
    Stuhl ließ ihn die zwei hochgewachsenen Männer überragen.
    Kemper schaute Littell an. Sie saßen Seite an Seite vor
    Hoovers Schreibtisch.
    Littell sagte: »Das kann ich verstehen, Sir.«
    Hoover tupfte sich den Mund mit dem Taschentuch ab.
    »Das glaube ich Ihnen nicht. Im übrigen schätze ich die
    Fähigkeit der objektiven Wahrnehmung lange nicht so hoch
    ein wie die Tugend der Treue.«
    »Ich habe unbedacht gehandelt, Sir«, sagte Littell. »Dafür
    möchte ich mich entschuldigen.«
    »›Unbedacht‹ war Ihr Versuch, Mr. Boyd zu erreichen
    und ihm Ihren läppischen Bondurant-Verdacht aufzudrän-
    gen. ›Treulos‹ und ›verräterisch‹ war Ihr unautorisierter Flug
    nach Los Angeles, um eine offiziel e FBI-Aktion zu beenden.«
    »Ich hielt Bondurant für einen Mordverdächtigen, Sir.
    Ich nahm an, er habe sich in die von Mr. Boyd und mir
    installierte Abhöranlage zugeschaltet, und ich hatte recht.«
    Hoover sagte nichts. Kemper wußte, daß er warten würde,
    bis das Schweigen unerträglich geworden war.
    Die Operation hatte sich in doppelter Hinsicht als
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    Fehlschlag erwiesen. Bondurants Freundin hatte Bobby ei-
    nen Tip wegen des Schmutzartikels gegeben; die Schluß-
    folgerungen wegen des Kirpaski-Mordes hatte Ward selbst
    gezogen. Sie entbehrten keineswegs der Logik: Pete hatte
    sich gleichzeitig mit Roland in Miami aufgehalten.
    Hoover spielte mit einem Briefbeschwerer. »Ist Mord ein
    bundesstaatliches Vergehen, Mr. Littell?«
    »Nein, Sir.«
    »Sind Robert Kennedy und der McClel an-Untersuchungs-
    ausschuß direkte Rivalen des FBI?«
    »Meiner Einschätzung nach nicht, Sir.«
    »Dann sind Sie ein verwirrter und naiver Mensch, was
    Sie mit Ihren jüngsten Unternehmungen überdeutlich unter
    Beweis gestellt haben.«
    Littell saß vollkommen still. Kemper nahm wahr, wie
    ihm das Herz unter der Hemdbrust pochte.
    Hoover faltete die Hände. »Der 16. Januar 1961 ist der
    20. Jahrestag Ihres Eintritts beim FBI. An dem Tag wer-
    den Sie den Dienst quittieren. Bis dahin werden Sie im
    Chicagoer Büro tätig sein. Sie bleiben bis zum Tag Ihres
    Ausscheidens aus dem Dienst der CPUSA-Überwachungs-
    einheit zugeteilt.«
    »Ja, Sir«, sagte Littell.
    Hoover stand auf. Kemper erhob sich protokollgemäß
    etwas später.
    Littell sprang zu hastig auf – sein Stuhl klapperte.
    »Sie verdanken Ihre weitere Karriere und Ihre Pension
    Mr. Boyd, der mich mit viel Überredungskunst dazu ge-
    bracht hat, Gnade vor Recht ergehen zu lassen. Ich erwarte,
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    daß Sie meine Großmut mit absolutem Stillschweigen über
    Mr. Boyds Einschleusung in den McClellan-Ausschuß und
    die Kennedy-Familie vergelten. Wollen Sie sich dazu ver-
    pflichten , Mr. Littell?«
    »Ja, Sir.«
    Hoover verließ den Raum.
    Kemper fiel in seinen Südstaaten-Drawl: »Jetzt atme mal
    tüchtig durch, Junge.«
    In der Mayflower Bar gab es Nischen und hochlehnige Bänke
    ringsum. Kemper piazierte Littell auf eine Bank und taute
    ihn mit einem doppelten Scotch mit Eis auf.
    Den Weg hatten sie sich durch Schneeregen erkämpfen
    müssen – zu einer Unterhaltung war es nicht gekommen.
    Ward hatte den Anschiß mit mehr Haltung hingenommen,
    als er ihm zugetraut hatte.
    »Tut es dir leid?« wollte Kemper wissen.
    »Eigentlich nicht. Ich wollte nach zwanzig Jahren ohne-
    hin den Dienst quittieren, und das THP ist bestenfalls eine
    halbherzige Maßnahme.«
    »Redest du dir das jetzt ein?«
    »Ich glaube nicht. Ich habe dabei …«
    »Sag, was du denkst. Laß dir nicht die Würmer aus der
    Nase ziehen.«
    »Tja … ich habe dabei … etwas gespürt, ein Gefühl von
    Gefahr und gleichzeitig von etwas ganz Großartigem.«
    »Und das magst du?«
    »Ja. Mir ist beinahe, als hätte sich mir eine neue Welt
    aufgetan.«
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    Kemper rührte in seinem Martini. »Weißt du, wieso
    Mr. Hoover dir erlaubt hat, beim FBI zu bleiben?«
    »Eigentlich nicht.«
    »Ich habe ihm überzeugend darlegen können, daß du
    labil, irrational und süchtig nach Gefahr bist. Da steckt
    auch ein Körnchen Wahrheit drin, und deswegen hält er es
    für besser, du pißt aus der Scheune heraus als hinein. Mei-
    ne Anwesenheit sollte das Einschüchterungsmanöver noch
    wirksamer

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