Ein amerikanischer Thriller
eine Schneewehe gedrückt. Lenny
biß und trat und kratzte.
Tony zog zwei Klappmesser raus. Littell zog die Pistole,
faßte sie ungeschickt und ließ sie fallen. Der Warnschrei
blieb ihm im Halse stecken.
Lenny stieß mit dem Knie nach Tony. Tony taumelte zur
Seite. Lenny biß ihm die Nase ab.
Littell schlitterte auf dem Eis aus und schlug hin. Das
Geräusch wurde vom weichen Schnee gedämpft. Fünfzehn
Yards trennten ihn von den beiden – sie konnten ihn weder
sehen noch hören.
Tony versuchte zu schreien. Lenny spuckte die Nase aus
und stopfte sich Schnee in den Mund. Tony ließ die Messer
fallen; Lenny hob sie auf.
Tony grabschte in den Schnee. Lenny stach beidhändig
auf ihn ein – in die Augen, in die Wangen, in die Kehle.
Littell kroch zu seiner Pistole.
Lenny rannte davon.
Tony spuckte blutigen Schnee und starb.
Aus der Bar drang leise Musik: eine sanfte Ballade zur letz-
ten Runde. Die Ausgangstür blieb die ganze Zeit geschlossen.
Der Klang der Jukebox überdeckte alles – Littell kroch zu
Tony hinüber. Littell fledderte die Leiche: Uhr, Brieftasche,
Schlüsselring. Die Messer mit den Fingerabdrücken staken
bis zum Heft im Körper – ja, tu es.
Er zog sie heraus. Er kam wieder auf die Beine. Er rannte
die Straße hinunter, bis seine Lungen streikten.
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(Miami, 3. 1. 59)
Pete parkte am Taxistand. Eine Mango zerplatzte auf seiner
Windschutzscheibe.
Die Straße war frei von Tigerwagen und Tigerpack. Pla-
katträger lungerten auf den Gehwegen, bewaffnet mit Tüten
überreifer Früchte.
Jimmy hatte ihn gestern in L. A. angerufen. »Verdien dir
deine verdammten fünf Prozent. Die Kennedy-Sache hat
was gebracht, aber wir sind noch nicht quitt. Seit Castro am
Drücker ist, drehen meine Kubaner durch. Du gehst nach
Miami und bringst den Scheißladen wieder auf Vordermann,
Scheiße, dann kannst du deine scheißfünf –«
» Viva Fidel! «schrie einer. » Castro, el grande puto com-munisto! «schrie ein anderer. Zwei Türen weiter brach ein
Abfallkrieg aus: Jugendliche bewarfen einander mit dicken,
roten Granatäpfeln.
Pete schloß den Wagen ab und rannte in die Baracke.
Ein einsamer Redneck hatte die Vermittlung übernommen.
»Wo ist Fulo?« sagte Pete.
Der Clown kicherte. »Die Hälfte der Kerle ist für Ba-
tista, die andere Hälfte für Castro, damit kann man jede
ordentliche Arbeit hier vergessen. Wenn ein flotter Aufruhr
im Gange ist, kommen die Kerls nie pünktlich zur Arbeit,
deswegen sitze ich allein hier.«
»Ich hab’ gefragt, wo Fulo ist.«
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»Die Arbeit in der Vermittlung bildet. Ich krieg ständig
Anrufe, wo was los ist und was die Leute mitbringen sollen.
Ich habe was übrig für die Kubaner, nur scheinen sie einen
ausgeprägten Hang zur Gewalttätigkeit zu haben.«
Der Clown war dünn wie ein Skelett. Er hatte einen
üblen texanischen Akzent und das weltschlechteste Gebiß.
Pete ließ die Knöchel knacken. »Wieso sagst du mir nicht,
wo Fulo ist?«
»Fulo guckt, wo was los ist, und ich vermute, er hat die
Machete mitgenommen. Und du bist Pete Bondurant, und
ich bin Chuck Rogers. Ich bin ein guter Freund von Jim-
my und einigen Jungs von der Firma und ein entschiedener
Gegner der kommunistischen Weltverschwörung.«
Eine Müll-Bombe ließ das Vorderfenster erzittern. Drau-
ßen formierten sich zwei Reihen Plakatträger zum Angriff.
Das Telefon klingelte. Rogers nahm den Anruf entgegen.
Pete wischte sich Granatäpfelkerne vom Hemd.
Rogers legte die Kopfhörer ab. »Das war Fulo. Wenn › el
jefe‹ Big Pete auftaucht, soll er bei ihm vorbeischauen und
bei irgendwas helfen. Ich glaube, er wohnt 49. Straße, 917
Northwest. Drei Häuserblocks nach links, zwei nach rechts.«
Pete ließ seinen Koffer fallen. »Na«, fragte Rogers, »mit
wem hältst du es, mit Batista oder dem Bart?«
Die angegebene Adresse war eine pfirsichfarbene Bude. Ein
Tiger Kab mit vier aufgeschlitzten Reifen blockierte die
Einfahrt.
Pete kletterte drüber und klopfte. Fulo öffnete die Tür
einen Spalt weit und löste die Sicherheitskette.
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Pete zwängte sich durch. Er sah gleich, was Sache war:
zwei Spics mit Party-Papphüten, muerto auf dem Wohn-
zimmerfußboden.
Fulo schloß hinter ihm zu. »Wir haben gefeiert, Pedro.
Sie haben meinen geliebten Fidel einen Marxisten genannt,
und ich habe diese Verleumdung übelgenommen.«
Er hatte sie aus nächster Nähe in den Rücken geschossen.
Die Kugelaustrittswunden waren klein – es
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