Ein amerikanischer Thriller
das mit Stanton
klappte, konnte er abschließen.
Kemper stellte einen Stuhl auf den Balkon. Ward Littell
hatte ihm einen Bericht geschickt – der überarbeitet werden
mußte, ehe er an Bobby ging.
Der Bericht bestand aus zwölf Schreibmaschinenseiten.
Ward hatte handschriftlich ein Vorwort hinzugefügt.
K.B.,
da wir bei dem netten Täuschungsmanöver Partner sind,
kriegst du einen exakten Bericht. Angesichts von Mr. Ken-
nedys Vorbehalten solltest du ihm die offensichtlichen
Gesetzesübertretungen verschweigen. Du wirst feststellen,
daß ich beträchtliche Fortschritte gemacht habe. Und
205
glaub mir, bei der heiklen Ausgangslage bin ich extrem
vorsichtig gewesen.
Kemper las den Bericht. »Heikle Ausgangslage« klang ein
bißchen untertrieben.
Littel hatte einen Mord unter Homosexuel en beobachtet.
Das Opfer gehörte zum mittleren Führungskader des Chi-
cagoer Mobs. Der Mörder war ein Gangsterfreund namens
Lenny Sands.
Sands war jetzt Littel s Spitzel. Sands hatte sich vor kurzem
mit einem Buchmacher und Wucherer namens »Mad Sal«
D’Onofrio zusammengetan. D’Onofrio schleppte Reisegrup-
pen von Spielern nach Las Vegas und Lake Tahoe; Sands
sol te sie als »mitreisende Nachtclubnummer« begleiten. Sands
hatte Schlüssel zu »Absteigen« von Gangstern.
Littel hatte ihn gezwungen, Duplikate anfertigen zu lassen,
und war heimlich in drei Bumsabsteigen eingebrochen, um
nach Beweismaterial zu fahnden. Gefunden hatte er: Waffen,
Drogen und 14 000 Dollar in bar – in einer Golftasche ver-
steckt in der Bumsabsteige eines gewissen Butch Montrose.
Littell hatte Tony Iannones Absteige entdeckt: eine mit
Schwulen-Kram vollgestopfte Garagenwohnung. Littell war
entschlossen, seinen Informanten vor möglichen Racheak-
ten zu schützen. Littell gab Chicagoer Unterweltfiguren die
genaue Adresse der Absteige bekannt und beschattete die
Wohnung, um zu überprüfen, ob sie dem anonymen Hin-
weis folgten. Was sie taten: Sam Giancana und zwei weitere
Männer brachen eine Stunde später die Tür auf. Zweifellos
hatten sie Iannones homosexuelle Heimlichkeiten gesehen.
206
Verblüffend. Bezeichnend für die Heilige Ward-Littell-
Dreifaltigkeit: Glück, Instinkt, Gottvertrauen.
Littell schloß:
Mein Ziel ist es letztendlich, einen potentiellen Kre-
ditnehmer an die Zentrale Pensionskasse der Teamster
zu verweisen. Im Idealfall meinen eigenen, rechtlich
kompromittierten Informanten. Lenny Sands (und
vielleicht sogar »Mad Sal« D’Onofrio) könnten sich
dabei als wertvolle Verbündete erweisen. Mein Ideal-
schuldner ist ein anrüchiger Geschäftsmann mit guten
Verbindungen zum organisierten Verbrechen, ein Mann,
der empfänglich für physische Einschüchterung und
Drohung mit dem Staatsanwalt ist. Mit Hilfe eines
derartigen Informanten könnten wir ermitteln, ob alter-
native Pensionskassenbücher existieren, die verstecktes
und damit illegales Kapital betreffen. Diese Vorgehens-
weise gibt Robert Kennedy unbegrenzte Möglichkeiten
der Strafverfolgung an die Hand. Wenn solche Bücher
tatsächlich existieren, lassen sich deren Verwalter wegen
zahlreicher Delikte belangen, von schwerem Diebstahl
bis hin zu Steuervergehen. Ich stimme mit Mr. Kennedy
überein: So kann man Jimmy Hoffa und die Teamster
der Zusammenarbeit mit dem organisierten Verbrechen
von Chicago überführen und ihre gebündelte Macht
brechen. Wenn es uns gelingt, in derartigem Maßstab
geheime finanzielle Absprachen nachzuweisen, werden
Köpfe rollen.
207
Der Plan war ehrgeizig und gigantisch riskant. Den Haken
an der Sache bemerkte Kemper gleich.
Littell hatte Icepick Tonys sexuelle Neigungen publik
gemacht. Hatte er sämtliche Folgen bedacht?
Kemper rief beim Flughafen von Miami an und buch-
te seinen Direktflug nach Washington auf einen Flug mit
Zwischenlandung in Chicago um. Das machte Sinn: Wenn
sein Verdacht sich erhärten sollte, würde er Ward tüchtig
die Leviten lesen müssen.
Die Dämmerung brach an. Der Zimmerkellner kam um
diese Zeit, wie stets – auf die Minute pünktlich.
Er nippte an seinem Beefeater und aß ein paar Bissen
Räucherlachs. Die Collins Avenue leuchtete: Der Strand war
von glitzernden Lichtern gesäumt.
Kemper spürte, wie ein warmes Behagen in ihm hoch-
stieg. Er dachte an die Begegnung mit der Frau im Nerz
und an die vielen schlagfertigen Antworten, die er sich hätte
einfallen lassen können.
Es klingelte. Kemper fuhr sich mit dem Kamm durchs
Haar
Weitere Kostenlose Bücher