Ein amerikanischer Thriller
Wange an die des toten Jungen.
»Wir treffen uns um 10 Uhr in Lenny Sands’ Wohnung.
Wir bringen alles in Ordnung.«
Arbeit half nicht.
Er verfolgte Kommunisten und schrieb ein langes Ob-
servationsprotokoll. Seine Hände zitterten; seine Schrift war
fast unleserlich.
Helen half nicht.
Er rief sie an, um ihre Stimme zu hören. Ihr Juristenge-
plapper brachte ihn beinahe zum Schreien.
Court Meade half nicht.
Sie trafen sich auf einen Kaffee und tauschten Berichte
aus. Court fand, daß er miserabel aussah. Court sagte, daß
sein Bericht dürftig wirkte – als ob er nicht besonders viel
Zeit auf dem Lauschposten verbracht hätte.
Er konnte nicht sagen, ich nehm’s jetzt leichter, weil ich
einen Spitzel gefunden habe. Er konnte nicht sagen, ich
hab Scheiße gebaut und einen Jungen in den Tod geschickt.
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Die Kirche half ein bißchen.
Er zündete eine Kerze für den toten Jungen an. Er be-
tete um Kompetenz und Mut. Er putzte das Badezimmer
und erinnerte sich an etwas, das Lenny gesagt hatte: Sal D.
wollte heute abend in Saint Vibiana Opfer für die Spritz-
tour ködern.
Ein Zwischenstop in der Kneipe half.
Suppe und Cracker beruhigten den Magen. Whiskey und
Bier befreiten den Kopf.
Die Pfarrei von Saint Vib hatte Sal und Lenny ihren Versamm-
lungssaal überlassen. Ein Dutzend Columbusritter hatte sich
eingefunden, um sich von den beiden einwickeln zu lassen.
Die Gruppe hatte an Bingo-Tischen in der Nähe der
Bühne Platz genommen. Sie sahen nach Säufern und Frau-
enprüglern aus.
Littel trieb sich vor einem Notausgang herum. Er öffnete
die Tür einen Spalt, damit er sehen und hören konnte, was
vor sich ging.
»Wir fahren in zwei Gruppen«, sagte Sal. »Viele meiner
Stammkunden konnten nicht freinehmen, daher mach’ ich
euch einen Sonderpreis von 950, inklusive Flug. Zuerst geht’s
nach Lake Tahoe, dann nach Vegas und Gardena, bei L. A.
Sinatra tritt in der Cal-Neva Lodge in Tahoe auf, wo ihr
erste Reihe Mitte sitzt. Und jetzt wird euch Lenny Sands,
ehemals Lenny Sanducci, der bekannte Vegas-Star, einen
Sinatra aufs Parkett legen, der besser ist als Sinatra selbst.
Los, Lenny! Leg los, Landsmann!«
Lenny blies Rauchringe à la Sinatra in die Luft. Die
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Columbusritter klatschten Beifall. Lenny schnippte die Zi-
garette weg und starrte sie an.
»Nicht klatschen, bevor ich zu Ende bin! Was seid Ihr
mir für Sinatra-Fans? Dino, her mit den Blondinen! Sammy,
bring mir eine Kiste Gin und zehn Stangen Zigaretten, oder
ich stech dir dein anderes Auge aus! Mach flott, Sammy!
Wenn die Ritter des Columbus, Filiale 384, mit den Fingern
schnipsen, hat Frank Sinatra zu springen!«
Die Ritter glucksten. Eine Nonne huschte an der Gruppe
vorbei, ohne ein einziges Mal aufzuschauen. »Flieg mit auf
die Tour, da genießt du immer nur! Bei Sal bist du King
des Spielsaal-Vergnügungs-Swing! Ab nach Vegas, ab nach
Vegas – gib Gas!«
Die Ritter applaudierten. Sal schüttete einen Papiersack
vor ihnen aus. Sie durchstöberten den Ramsch und fischten
sich eifrig Sächelchen heraus. Littell bemerkte Poker-Chips,
Kondome mit Noppen und Playboy-Schlüsselringe.
Lenny hielt einen Spezialkugelschreiber hoch, der wie
ein Penis geformt war. »Na, wer von euch großschwänzigen
Gavonen will als erster unterschreiben?«
Sie stellten sich an zur Unterschrift. Littell spürte, wie
sich ihm der Magen umdrehte.
Er ging zum Straßenrand und übergab sich. Schnaps und
Bier verbrannten ihm die Kehle. Er kauerte sich hin und
kotzte, bis er nichts mehr im Magen hatte.
Ein paar Spieler spazierten vorbei und wirbelten ihre
Schlüsselringe durch die Luft. Einige lachten ihn aus.
Littel suchte Halt an einem Laternenpfahl. Er beobachtete
Sal und Lenny im Pfarreikorridor.
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Sal drängte Lenny an die Wand und stieß ihn in die
Brust. Lennys Lippen formten ein einziges Wort: »Okay.«
Die Tür stand offen. Littell drückte sie ganz auf.
Kemper blätterte in Lennys Adreßbuch. Er hatte alle
Lichter im Wohnzimmer angedreht.
»Nur mit der Ruhe, Junge.«
Littell zog die Tür zu. »Wer hat dich reingelassen?«
»Ich hab’ dir doch beigebracht, wie man einbricht, oder?«
Littell schüttelte den Kopf. »Ich will, daß er mir traut.
Dein Auftauchen könnte ihm Angst einjagen.«
»Du mußt ihm Angst einjagen«, sagte Kemper. »Du darfst
ihn nicht unterschätzen, nur weil er schwul ist.«
»Ich hab gesehen, was er mit Iannone angestellt hat.«
»Da ist er durchgedreht, Ward.
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